Ein bißchen wie Heimkommen

Weihnachtskonzert der Dresdner Philharmonie

Die drei Hauptakteure des Konzerts der Dresdner Philharmonie an den Weihnachtstagen, wiewohl jung und noch am Anfang oder in einer frühen Phase der Karriere stehend, waren alle schon einmal dagewesen: Emmanuel Tjeknavorian, damals noch Violinist, hatte 2013 den nach dem früheren Konzertmeister der Philharmonie benannten Szymon-Goldberg-Preis gewonnen. Die Geige hat er seither zwar nicht »an den Nagel gehängt«, ist mittlerweile aber weit öfter als Dirigent zu erleben. Als Geiger hat sich Sergey Khachatryan, in seiner Jugend unter anderem von Kurt Masur gefördert, seine »Sporen« längst verdient. Mit zahlreichen Preisen ausgestattet, ist er bei den besten Orchestern der Welt zu Gast, zuletzt war er mit Schostakowitsch am Jahresbeginn bei der Dresdner Philharmonie zu Besuch. Und auch Organistin Karolina Juodelyte ist in Dresden nicht unbekannt: Im Sommer war sie im Rahmen des Orgelzyklus‘ in der Hofkirche zu hören, diesmal war ihr Anteil jedoch weit sinfonischer. Den jungen Akteuren saß ein Publikum gegenüber, in dem sich vielfach die Generationen begegneten – für viele ist das gemeinsame Weihnachtskonzert mit der Familie ein Teil der Tradition.

Emmanuel Tjeknavorian (Photo: © Lukas Beck), Sergey Khachatryan (Photo: © Marco Borggreve) und Karolina Juodelyte (Photo: © seeglphotography)

Eine ausgefeilte Dramaturgie schien Emmanuel Tjeknavorian ebenso wichtig zu sein wie ein musikalisches Narrativ. Für die Eröffnung hatte er sich Erich Korngolds Ballettsuite »Der Schneemann« ausgewählt, ein zwar knappes, aber stimmungsvolles Stück, bei dem es leichtfiel, die Hauptakteure – Vater Pantalon, Tochter Colombine und den sie verehrenden Pierrot – bildlich vor Augen zu haben. Glöckchenklang schmückte die Musik mit Schneekristallen aus, Wolfgang Hentrich intonierte auf der Violine Pierrots Liebeslied für Columbine.

Während Korngolds Kleinod zum ersten Mal bei der Dresdner Philharmonie erklang, war das Violinkonzert a-Moll von Alexander Glasunow bereits im Kulturpalast erklungen. Auch ihm verliehen Stimmung, Bilder und Dramaturgie weit mehr Gestalt als klassische Formen. Dunkel, mit der Solovioline in tiefen Lagen und einem getupften Umhang der Holzbläser, begann das Stück, dann übernahmen die Hörner einmal die Führung. Emmanuel Tjeknavorian beließ den Klang aber schlank, womit sich lyrische Passagen ebenso wie virtuose entfalten konnten.

Bündig gingen die Sätze ineinander über, die Romanze des zweiten führte unmittelbar in melancholische Sphären, steigerte sich aber, an Sibelius erinnernd, vor der Kadenz. Sergey Khachatryan baute sie immer weiter aus, statt zirzensischer Eskapaden gelang ihm dabei selbst solistisch ein fast sinfonischer Klang – der direkte Anschluß bzw. die Wiederaufnahme ins Orchester schien um so sinniger.

Nicht für ein virtuosen »Mätzchen«, sondern für eine Sarabande (aus der Partita d-Moll) von Johann Sebastian Bach als Zugabe entschied sich der Solist.

Manch einer hätte nun mit dem großen Auftritt von Karolina Juodelyte bzw. der Orgel gerechnet, doch Camille Saint-Saëns Sinfonie Nr. 3 c-Moll ist eben kein Konzert. Insofern durfte die Organistin gerade im Schlußteil prächtige Akkordklänge zusteuern, für auffällige Soli ist das Stück jedoch nicht gedacht. Vielmehr für einen homogenen, goldenen Orchesterklang, den Emmanuel Tjeknavorian schon zu Beginn wob, um, zunächst mit Tremoli, für Belebung und bald für erhebliche Steigerungen zu sorgen. Wie sturmgepeitschte Wogen klang es im Mittelteil des ersten Satzes fast wie bei Wagner, die eindrucksvoll abklangen (Pizzicati und Fagott). Später durften Flöten dies Wogen gischten lassen, Posaunen und Trompeten kurz einen Choral anstimmen.

Die Orgel trat schließlich doch prächtig, wenn auch nicht solistisch, hervor, deutlicher vernehmbar als das schließlich sogar vierhändig ins Orchester gemischte Klavier. Im Finale schwang sich die Philharmonie in ein Orchester-Tutti, das die Pforten zu Strauss und Zarathustra öffnete.

26. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

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