Na und? – Kochen Sie sich nach Italien!
Nicht immer endet der Urlaub mit Erinnerungen an schreckliches Hotel, irrsinnige Mitreisende und schlechtes Wetter sowie einem Berg Wäsche. Manchmal spürt man schon auf der Heimfahrt eine Wehmut, wieder zurückzukehren, vor allem Italienurlauber sollen von dieser Melancholie betroffen sein. Wer den sorgsam verstauten Wein in der Korbflasche öffnet und die mitgebrachten, originalen Farfalle aus der traditionellen Familienmanufaktur zubereiten möchte, will den Urlaub wieder aufleben lassen – kochen wir doch selbst original italienisch, egal wie das Wetter ist und ob noch Schulferien sind!
Rachel Roddys Italiensehnsucht muß ähnlich groß, wenn nicht größer als unsere gewesen sein, denn vor über bald zwanzig Jahren zog die Journalistin und Kochbuchautorin von London nach Italien, wo sie seither mit ihrer Familie lebt. Im Verlag Kunstmann ist ihr neuestes Buch erschienen, und es macht aus dem erfahrenen Italienbesucher und Nudelkoch einen echten Pastakenner, denn es fängt am wirklichen Ausgangspunkt an, beim Alphabet der Nudelformen. Zwischen 350 und 500 Sorten schätzt man (manche Quellen sprechen von bis zu 600), gibt es in Italien. Das Buch vereinigt immerhin an die zwanzig (incl. Rezepten für gemischte Pasta) von ihnen, von Klassikern wie Maccheroni, Spaghetti und Tagliatelle über die Lieblingssorten der Kinder (Farfalle und Fussili) oder Garfields Favoriten (Lasagne und Linguine) bis zu so exotischen Formen wie Lumache, Scialatiella, Casarecce oder Quadrucci (Raten Sie mal, welche Form die haben). Wer sich in (oder auf) Sizilien verliebt hat, begegnet den Busiate mit Wonnen wieder …
»Pasta von Alfabeto bis Ziti« zeichnet sich im wesentlichen durch zwei Vorzüge aus: das Ungleichgewicht und die Variabilität. Beides macht die Rezepte sozusagen nahbar, wandlungsfähig und erhöht den Spaß. Nicht jeder Buchstabe ist in Rachel Roddys Alphabet vertreten, auf H, I, J und K müssen wir ebenso verzichten wie auf N, U, W, X und Y – Vokale sind sowieso eindeutig in der Unterzahl! Dagegen gibt es gleich fünf Pastasorten mit »M«: Maccheroni, Mafalde, Maltagliati, Mezze manchine und Mista. Unter »Lasagne« wiederum findet sich ein einziges Rezept, der Klassiker alla Bolognese, der hier allerdings nicht mit Maggi-Fix und Hackfleisch gekocht wird, sondern aus originalen Zutaten, also italienischem Mehl, Pancetta und Passata entsteht. Bei den Spaghetti treibt es Rachel Roddy auf die Spitze und kreiert eine ganze Woche (!) mit Variationen von Spaghetti, die abwechselnd mit Tomaten-Basilikum-Sauce, Tomaten-Ragù, Knoblauch, Olivenöl und Chili angerichtet werden, bevor aus den Resten am Montag darauf eine Frittata gebacken wird – Ihre Kinder werden begeistert sein!
Eintönigkeit ist wirklich das letzte, was man diesem Alphabet entnehmen kann. Zu wertvoll sind die Hinweise, was man kombinieren, wie man variieren kann. Hier werden Produkte wertgeschätzt, der originale Geschmack steht im Mittelpunkt. Das lädt die, welche die Fülle aus dem eigenen Garten verarbeiten wollen, ebenso wie jene ein, für die Kochrezepte keine strengen Anweisungen sind, die bis aufs I-Tüpfelchen eingehalten werden müssen – nur Mut!
Ob Gemüse, Fisch oder Hühnerleber, Pfifferlinge oder schlicht frische Kräuter – hier lacht das Herz! Der Gewinn liegt nicht zuletzt in den daraus erwachsenden Erfahrungen, schnell etwas zu zaubern oder Reste köstlich zu verarbeiten, oder aber ganze Menüs – mit und ohne Fleisch – für Familienfeste zuzubereiten. Der Rezensent besaß bereits neunzehn italienische Kochbücher (darunter sechs für ausschließlich Pasta und drei über die Sizilianische Küche) – »Pasta von Alfabeto bis Ziti« wird in diese Bibliothek eingehen, nur liegt das Buch momentan mehr draußen, als daß es zwischen den anderen darauf wartet, hervorgeholt zu werden. Was auch funktioniert: kochen nach Bild (das Kind sucht unter Berücksichtigung der Hauptzutaten anhand des Bildes aus, was es haben möchte). Bisher ist unsere Erfolgsquote hoch, Wiederholung nicht ausgeschlossen.
September 2024, Wolfram Quellmalz
