Neue Weihnachts-CD des Ensemble Polyharmonique
Das Ensemble Polyharmonique, das seinen Ursprung in Dresden feierte, hat sein organisatorisches Zuhause mittlerweile in Belgien aufgeschlagen. Auf seiner neuen CD »Christvesper Dresden 1624« verbinden sich beide Regionen auf historische Weise.
Rogier Michael, aus Mons (Belgien) stammend, kam 1575 an den Dresdner Hof, wurde später kursächsischer Hofkapellmeister und damit ein Nachfolger von Antonio Scandello sowie der direkte Amtsvorgänger Heinrich Schütz‘. Bereits 1602 verfaßte er eine Weihnachtshistorie – es ist eine der, vielleicht die früheste, und Ensembleleiter Alexander Schneider bezeichnet sie zu Recht als »Pionierleistung«. In Rezitativen mit wechselnden Stimmen, aber ohne einen Evangelisten, und figuralen Sätzen wird die Geschichte der Geburt Jesu in drei Teilen erzählt. Am Dresdner Hof erklang das Werk einst in der Christvesper – die CD nimmt die damals übliche bzw. mögliche Zusammenstellung sowohl hinsichtlich der Titel als auch der instrumentalen Ausgestaltung auf. Beispielsweise konnten an sich a cappella gesetzte Teile durchaus von einem Basso continuo begleitet werden.
Polyharmonique mit seinen fünf Sängern und nur vier (!) Instrumentalbegleitern hat dem Programm einen Eingang sowie Musik zu den Evangelien zum Advent und zum Benedictus vorangestellt, ebenso gibt es einen Ausgang mit Conclusio und Motette (»Grates nunc omnes«).
Schon die auf alle Sänger verteilten Sprechgesänge der Historie mit schlichter Orgelbegleitung sind außerordentlich berührend – diese Musik zielt nicht auf festlichen Glanz, sondern auf die Erzählung der Geschichte! Feine, kantilene Linienführungen, im Gesang wie in den Instrumenten, setzen bedacht Akzente, etwa wenn ein Text im Duett vorgetragen wird. Aus dieser Schlichtheit und einfachen Melodieführung entwickelt sich dennoch eine große Pracht, wie im Quodlibet »In dulci jubilo«, das im ersten Teil der Weihnachtshistorie die Anbetung der Hirten beschließt. Doch schon eingangs erstrahlt die Vesper mit dem Concerto »Noe, noe, Siehe ich verkündige euch« ausgesprochen festlich – die frohe Botschaft findet in der Verbindung von Erzählung bzw. Verkündung und musikalischer Freude eine Entsprechung.
Die mittlerweile bekannten Stimmen von Magdalena Harer und Joowon Chung (Sopran), Alexander Schneider (Alt), Johannes Gaubitz und Christopher Renz (Tenor, wobei man den letzteren immer wieder als erfahrenen Evangelistenerzähler durchhört) sowie Matthias Lutze (Baß) verleihen der Aufnahme eine gestalterisch feinsinnige Note und sind im Quintett auf Augenhöhe.
Aber auch die Instrumentalisten (Joan Boronat / Cembalo und Orgel, Andrew Burn / Dulzian, Elias Conrad / Laute und Vera Schneider / Harfe) sorgen für mehr als eine höchst individuelle und sinnige Begleitung. Mitunter treten sie einzeln heraus, wie die Orgel in einem Praeambulum in F von Heinrich Scheidemann oder das Cembalo im Choral »Ein Kindelein so löbelich«. »Wie schön leuchtet der Morgenstern« erklingt später im ganzen Instrumentalensemble.
Eingeschlossen in die Historie sind die damals schon bekannten Lieder und Sätze, wie »Joseph lieber Joseph mein« (Erhard Bodenschatz), »Ich steh an deiner Krippen hier« mit auf die Laute reduzierter Begleitung (Johannes Eccard) oder »Oh Jesulein süß« (Samuel Scheidt). Für alle, die bereits die großen Oratorien oder Heinrich Schütz‘ »Weihnachtshistorie« haben, eine unbedingte Empfehlung!
Dezember 2024, Wolfram Quellmalz
