Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Bei »Gold« auf Semper Zwei geraten übermäßige Wünsche ins Abseits

Was blinkt und glitzert denn da? Es ist keine Geldmünze und kein Goldschatz, den Jacob im Meer findet – er zieht einen dicken, glänzenden Fisch ans Land. Für ihn und seine Familie, Vater und Mutter, die kein Haus, nicht einmal Schuhe an den Füßen haben, wäre er sicher mehr als nur eine Mahlzeit, aber der Fisch kann sprechen und verfügt über Zauberkräfte. Wenn Jacob ihn leben läßt, erfüllt er dessen Wünsche.

Vielleicht ist es derselbe Fisch, der einst einem Fischer an die Angel geriet, dessen Frau sich mit einer besseren Hütte, einem besseren Haus, selbst mit einem Schloß nicht zufriedengeben wollte, vielleicht ist es einer seiner Nachkommen. Zumindest Jacobs Zauberspruch, mit dem er den Fisch bei immer wütender tobendem Meer wieder und wieder herbeiruft, um sich »mehr« zu wünschen (was seine Eltern verlangen) ist ein neuer. Das Ende indes, ähnelt sich trotzdem.

Annike Debus spielte Jacob und alle Rollen in »Gold!«, Photo: Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

Als letzte Premiere des Kalenderjahres hat die Semperoper Leonard Evers‘ »Gold!« am Mittwoch auf die Bühne von Semper Zwei gebracht und präsentiert wenige Tage nach »The Snow Queen« [NMB berichteten: https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/12/11/hinreisend-eisige-premiere/%5D noch ein Märchenstück für die Weihnachtszeit. Doch ist bei »Gold!« in der Regie von Benedikt Arnold alles anders – kein abendfüllendes Stück für die ganze Familie, sondern eine Stunde Theater für die Kinder, die fast alle um das Meer auf der Bühne (Bühne und Kostüme: Lex Hymer) herum sitzen und mitmachen können – Wellen schlagen mit einem großen Tuch, die schließlich zu grimmigen Wogen wachsen, sie dürfen zischen und pfeifen wie die Gischt. Die Eltern sitzen dahinter auf Stühlen und erleben ihre Kinder im Stück mit – Familiensache.

Annike Debus spielte Jacob und alle Rollen in »Gold!«, Photo: Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

Das Stück ist weniger Oper als Theater mit Musik. Leonard Evers ist dem Semperopernpublikum spätestens seit seinem Ballett »humanoid« bekannt, das im November ebenfalls wieder aufgeführt wurde. »Gold!« weicht schon in der Einpersonenbesetzung von einer normalen Konzeption ab, die meisten Texte werden als Erzählteile sprechend vorgetragen. Nur wenn Jacob oder seine Eltern (Annike Debus als alle) etwas sagen, Jacob den Fisch besucht, werden diese Texte gesungen. Auch ein Orchester im eigentlichen Sinne gibt es nicht, allerdings ist das sichtbare Schlagwerk links neben der Bühne schon vor Beginn eindrucksvoll. Lola Mlačnik steigert diesen Eindruck während der sechzig Minuten noch, weil sie mit Glöckchen, Klanghölzern, gestrichenen Becken und vielerlei weiterer Schlagwerke die riesige Ausdruckspallette ihrer Instrumente ausnutzt und die orchestralen Farben sinnig in die Szenerie eingebunden sind.

Das Überraschende Glück des Fundes weckt bei Jacob zunächst einen naheliegenden Wunsch: Weil er am Strand oft über spitze Muschelkanten läuft, möchte er endlich einmal richtige Schuhe haben – die bekommt er. Sie sehen aus wie Zauberschuhe aus Glas. Jacobs Eltern, die eben noch so glücklich waren, nehmen es mit der Chancenauswertung allerdings etwas genauer. Ein Haus sollte es schon sein, eigentlich ein Schloß, das so groß ist, daß man sich kaum noch trifft. Und überall liegt etwas herum – man braucht einfach Personal! Doch selbst die größten Wüsche werden irgendwann sinnlos und können platzen wie Seifenblasen …

Annike Debus spielte Jacob und alle Rollen in »Gold!«, Photo: Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

Annike Debus und Lola Mlačnik plus ein Komparse, der den Fisch »bedient«, stellen die Geschichte um die Wünsche allein dar. Zwischendurch wird die Schlagwerkerin zur szenischen Akteurin, wechselt auf die Bühne und bringt einen Koffer oder eine Requisite für die wachsenden Wunschansprüche von Jacobs Familie. Die Aktion wirkt trotz des klar gezeichneten Bühnenrandes wie mitten unter den Kindern. Und die erleben mit, wie das Meer immer aufgewühlter wird, sich die Zauberkräfte des Fisches verbrauchen und das Wünsche leicht »ins Kraut« schießen – Moral angekommen. Trotzdem hätte sich mancher, wenn er sein Kind in die Oper entführt, vielleicht doch mehr Oper gewünscht, mehr gesungenen Text, mehr verteilte Rollen. Die Faszination Theater überträgt sich dennoch, denn die Geschichte ist spannend erzählt. Zur Premiere blieben die kleinen Gäste bis zum Schluß aufmerksam und benötigten keinen Elternerklärer neben sich.

Leonard Evers »Gold!«, Semperoper Dresden, Semper Zwei, wieder am 22. Dezember sowie im Februar und März

Hinterlasse einen Kommentar