Don Juans Lebenserinnerungen

  1. Kammermusikabend der Dresdner Philharmonie

Daß die Philharmonie gerne auch einmal das Repertoire erweitert und ausdehnt, ist bekannt. Jetzt hat sie im aktuellen Kammerabend auch den Rahmen des Ablaufes einer Variation unterworfen. Denn statt drei oder vier aufeinanderfolgenden Stücken gab es diesmal nur zwei, die zudem nach jedem Satz unterbrochen wurden. Den Prolog sowie die Lücken füllte Olaf Bär, der aus Peter Handkes Roman »Don Juan (erzählt von ihm selbst)« von 2004 las.

Die Sätze eines Stückes auseinanderreißen, in einem Konzert! Eigentlich unglaublich, doch entstanden hier Episoden, musikalische und gelesene, die so aufeinander abgestimmt waren, so füreinander gemacht schienen, daß sie sich ohne Brüche fügten. Vielmehr schien die Musik jeweils den vorangegangenen Text zu untermalen. Szenen und Erinnerungen wurden verknüpft, beschrieben aus der Sicht Don Juans – nein, keine einzige Frau hatte er verführt (meint Peter Handke)!

Olaf Bär erzählte zunächst von der Begegnung mit Don Juan in einem Garten, bevor Heike Janicke und Markus Gundermann (Violinen), Christina Biwank und Beate Müller (Violen) sowie Matthias Bräutigam (Violoncello) den ersten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts Quintett in g-Moll (KV 516) spielten. Das Allegro verbreitete die süß-herbe Stimmung einer Gartenlaube, die von dem einen oder anderen Liebeskummer erschüttert worden war – oder waren es nur kalte Lüftchen gewesen? Auf Don Juans Beobachtung eines Paares folgte ein kunstfertiges Menuett – nein, kein höfischer Tanz, aber ein bewegliches, spielerisches Stelldichein, worauf Don Juan aus seinem Traum süß erwachte (Adagio). Doch immer wieder klang auch Wehmut auf bei Mozart oder gar Melancholie, wenn Beate Müller einem Übermaß an sonniger Heiterkeit Einhalt gebot.

Es waren eben süße Lebenserinnerungen eines alten Don Juan, denn – auch das sagt der Text – er war schon verwaist, hatte seine nächsten Verwandten bereits alle verloren. Doch sein Blick zurück geschah ohne Zorn.

Mit Johannes Brahms Quintett G-Dur op. 111 – auch ein Spätwerk mit Lebensrückblick – ging es nach der Pause weiter, in gleicher Quintettbesetzung, aber anderer Sitzordnung. Dem einzelnen Violoncello hatte Brahms eine besondere Rolle zugewiesen, es quasi in die Mitte gerückt, die Dresdner Philharmoniker folgten dieser Idee, die Matthias Bräutigam erblühen ließ. Einige von Brahms‘ Zeitgenossen hatten sich über diese Verschiebung, dieses Ungleichgewicht noch mokiert – wir lieben es heute genau so! Reifer, süffiger und auch ein wenig wollüstiger war Don Juan nun geworden, allein – nur in der Musik, der Erzählung und Erinnerung. Olaf Bärs – Pardon! – Don Juans Erzählungen, daß er niemals eine Frau verführt habe, aber Augen hatte, kann nur bestätigen, daß er Liebschaften gehabt haben muß. Johannes Brahms – Pardon! – die fünf Streicher kommentierten dies quasi im Allegro non troppo, ma con brio, kosteten es aus, so daß man auch den Sprecher zu erwischen meinte, wie er da auf der Bühne genießerisch lächelte – oder war er nur an die »Liebeslieder-Walzer« erinnert?

Doch waren die versonnenen Erinnerungen nicht von Dauer – die Trennung, das Ende unvermeidlich. Brahms antwortet Don Juan mit erinnerungsschwerer Melancholie, doch liegt der Abschied ja auch schon zurück, und in den Erinnerungen gewinnen die heiteren, lebensfrohen Farben an Gewicht, Brahms fulminanter Abschluß war ein rauschendes Lebensfest.

11. Mai 2015, Wolfram Quellmalz

Noch einmal zu erleben ist der 7. Kammerabend am kommenden Mittwoch (13. Mai, 20:00 Uhr) auf Schloß Albrechtsberg.

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