Der vielversprechende Name ist vielleicht noch ungewohnt im Chemnitzer Konzertkalender – er knüpft ein wenig dort an, wo die »Konzerte der Künste« im vergangenen Jahr aufgehört haben. Bemerkenswert sind sowohl die Qualität der Aufführungen als auch der Spürsinn des Veranstalters, neue Talente zu präsentieren. Gleich im ersten Jahrgang war bereits Peter Rösel (im März) zu Gast, mit Amir Tebenikhin und Susanne Grützmann werden noch zwei vielversprechende und erwiesene Meister in den kleinen Saal der Stadthalle kommen, am vergangenen Sonntag war Alexander Krichel bereits da.
Trotz vieler Preise und eigentlich Verlust des »Geheim«-Tip-Status‘ zählt Alexander Krichel, 1989 geboren, noch zum »Nachwuchs«. Nach Chemnitz brachte er ein vielseitiges Programm mit: Beethovens späte Sonate As-Dur (Nr. 31, op. 110), Frédéric Chopins frühes op. 2, die »Don Giovanni«-Variationen, und Sergei Rachmaninows »Moments Musicaux« op. 16.
Warum immer die großen Spätwerke, fragt man sich angesichts der Tatsache, daß gerade junge Pianisten oft mit monumentalen Klangdenkmälern zu beeindrucken versuchen und in vielen Fällen damit noch ein wenig damit hätten warten sollen. (Nebenbei: Das Publikum sollte ihnen diese Zeit auch gönnen!) Alexander Krichel gehört jedoch nicht zu jenen, die sich (zu) früh an (zu) großem vergreifen. Er beherrscht Beethoven nicht nur technisch, er vermag ihn auch auszufüllen. Seine Interpretation hatte Poesie und Energie, konnte die Bezüge der einzelnen Satzteile herstellen, geriet fließend. Und dies, weil der Pianist nicht nur die äußere Struktur nutzte, den dritten Satz aus dem zweiten entwickelte, hineinglitt, sondern vor allem die innere Bindung der Sätze betreffend. Gerade der dritte Satz, aus Adagio und anschließender Fuge bestehend, verriet viel »Meisterschaft am Flügel«. Die Schicksalshaftigkeit des Adagios, aber auch Überleitung, Auflösung und Fuge waren großartig.
Daß Alexander Krichel kein »Virtuose« im Sinne eines (heute leider oft so mißverstandenen) »sportlichen Technikers« ist, bewies er mit Chopin. Eigentlich ist die Bezeichnung von »virtus« (Tugend) hergeleitet. Krichels Tugend besteht im Verständnis für das Werk und in der Fähigkeit, ihm Leben einzuhauchen. Wenn er die eine oder andere Note einmal nicht »trifft« und dann darüber hinwegzaubert, hat das mehr Poesie als die meisten der technisch einwandfreien Schnellspielereien.
In diesem Sinne griff der Pianist auch Sergei Rachmaninow auf. Träumerisch-impressionistisch rückte er ihn in die Nähe Debussys, ließ auch hier das Werk fließen, gewährte zudem den Raum für einen Wandel der Stimmung, wie zwischen Presto und Adagio. Gar nichts zu meckern? Ach, vielleicht war der eine oder andere Schluß etwas abrupt. Vielleicht, vielleicht, aber wer wird hier meckern, reifen lassen wollten wir ja noch.
18. Mai 2015, Wolfram Quellmalz
Das nächste Konzert der Reihe findet nach der Sommerpause am 20. September statt.