Erster Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle
Werke György Kurtágs und György Ligetis, die Zeitgenossen und befreundete Kollegen waren, gaben dem ersten Aufführungsabend die wesentlichen Impulse. György Kurtág wurde für diese Spielzeit als »Capell-Compositeur« verpflichtet und ist bereits in der kommenden Woche wieder, zum Kapell-Geburtstag, zu hören. Auch dann übrigens mit einer deutschen Erstaufführung wie am Mittwoch. Das dem Ensemble Contrechamps gewidmete »Brefs Messages« von 2011 war das zweite Werk des Abends, dem »Merran’s Dream« vorangestellt war. Dieses geht auf den Traum einer Bekannten Kurtágs zurück, setzt die Traumsequenz um Shakespeares »Sturm« musikalisch in Szene. In Kammerbesetzung um Kai Vogler und unter der Leitung Gustavo Gimenos schufen die Streicher der Staatskapelle eine mystische Sphäre der Zwischenwelten, Traum und Wachheit, Erwecken und Versinken. Somnambul schienen Klavier und Schlagzeuge zu rufen, als könne ein Mensch mit halbgeschlossenen Lidern und schwerer Zunge Worte nur halb denken, sänke wieder zurück in die Traumwirrnis. Nach schon etwa drei Minuten war das flüchtige Werk vorbei. Hier hätte man ruhig mutiger sein können und noch mehr aus den siebenteiligen »New Messages« aufführen können, ohne daß der Abend Überlänge bekommen hätte.
So gab es, nachdem der Abend gerade begonnen hatte, gleich eine große Umbesetzung. Denn für »Brefs Messages« werden vor allem Bläser gebraucht. Auch dieses Werk ist ganz kammermusikalisch und wurde von den Solisten fein nachgezeichnet. Trompete und Posaune bildeten im ersten Satz ein hymnisches Duo, Klarinette und Englischhorn führen dies fort, karikierten musikalisch einen Sprechgesang. Erst im dritten und vierten Satz gab es ausgeprägte Soli und Orchesterbeziehungen.
Feingliedrig und präzise führte Gustavo Gimeno auch durch das anschließende »Hamburgische Konzert« György Ligetis. Es ist ein Werk für Horn (Jochen Ubbelohde) und Kammerorchester, aber selbst dessen Besetzung ist mit vier Natur- und zwei Bassetthörnern weit abseits jeder Gewohnheit. Jochen Ubbelohde hatte hier sämtliche Klänge zu erzeugen und zu reflektieren, die sein Instrument hervorzubringen vermag. Nicht nur in allen Lagen und Stufen, mit Stopfen, flatternd, singend… ein unglaublicher Parcours, zu dem selbst seine Kollegen die Instrumente zwischendrinnen umstimmen mußten. Das Orchester, oftmals Echo des Solisten, mimte Sirenensignale, brummte zuweilen wie tieffliegende Flugzeuge, Glöckchen hellten die Stimmung auf, die gleich wieder abglitt, verzerrte Melodien, scheinbar immer einen halben Ton zu tief. Doch gerade die Dissonanzen verlangen Genauigkeit, sonst »stechen« sie nicht richtig. Den Applaus nahm Jochen Ubbelohde im Kreis seiner Bläserkollegen entgegen.
Nach der Pause gab es erneut Haydns »Sinfonie mit dem Paukenschlag« (dabei hat der Komponist so viele Werke hinterlassen, daß man doch auch einmal etwas weniger gespielte auswählen könnte). Gustavo Gimeno betonte die hellen Bläser, vor allem die Flöte zu Beginn über den reichhaltig klingenden Streichern. Den Überraschungseffekt kostete er kurz, klar und scharf aus, ebenso wie alle folgenden Akzente, die sich um die Pauke schaffen ließen. Auch er neigte aber zu einem allzu flotten Tempo. So war das Finale überraschend schnell vorbei, doch scheint dies momentan in Mode. Etwas mehr Gemächlichkeit würde man sich für Haydn doch wünschen.
17. September 2015, Wolfram Quellmalz