Dorothee Oberlinger und Edin Karamazov beim Bachfest Leipzig
Anders als im vergangenen Jahr waren die NMB diesmal nur für eine kurze Stippvisite (Montag) beim Bachfest Leipzig. Wieder war der Kupfersaal das Ziel. Allerdings hat der an sich historische Raum ein wenig Kulturhaus-Atmosphäre und nicht die beste Akustik – in diesem Fall besonders abträglich und bedauerlich, denn Dorothee Oberlingers Flöten und vor allem Edin Karamazovs Laute wurden elektronisch verstärkt. Noch dazu mit einem recht einfachen Mikrophon-Lautsprecher-Aufbau – jedes Rascheln und Knirschen wurde laut, auch das Wischen der Fingerkuppen über die Saiten. Diese Konstellation widersprach vor allem der diskreten Musikerin Laute! Was für e-Gitarristen vielleicht dazugehört, stört beim gesanglichen Ton der nicht zuletzt charmanten (Lied)begleiterin.

Dorothee Oberlinger und Edin Karamazov, Photo: Bachfest Leipzig
Als solche trat sie im Grunde auch in Aktion, auch wenn keine Sängerin und kein Sänger zum Programm gehörte. Viele der Werke bzw. Sätze sahen für den Basso continuo eine schlichte oder unauffällige Begleitung vor. Das schien in manchem (historisch) fast ungerecht, denn schon die Partita c-Moll BWV 997 von Johann Sebastian Bach entstand ursprünglich für Laute bzw. ein Lautenwerk allein. Doch hier beginnt schon die Interpretation – wie ein solches wohl ausgesehen und geklungen haben mag im Hause Bach, ist nicht gesichert. Die Bearbeitung zur Suite für Flöte entstand wohl nicht wenig später, der Verfasser von BWV 997.2 ist jedoch unbekannt.
In dieser Bearbeitung, mit der das Konzert begann, spielte (im wahrsten Sinn des Wortes) die ursprünglich führende Lautenstimme zuweilen, wie im Prélude, eine sehr untergeordnete Rolle. Die Paarung ist jedoch stimmig, historisch wie im heutigen Kontext. Virtuos fanden Dorothee Oberlinger und Edin Karamazov zusammen, allerdings nicht immer. Vor allem in langsamen oder leisen Passagen (was unterschiedliche sein können) »hakte« das Zusammenspiel aber hier und da. Vor allem überraschte die sonst so eloquent spielende Dorothee Oberlinger, weil ihr die Piani nicht wie gewohnt gelangen. Leise, ja, aber der Atem schien immer wieder zu »brechen«. Oder lag es doch an der Umgebung, der fehlenden Intimität?
Einen größeren Überraschungseffekt hatte die Suite G-Dur BWV 1007. Als erste Cellosuite ist sie die wohl bekannteste aus der Feder Bachs und gleichzeitig eines der berühmtesten Stücke der Literatur für Violoncello überhaupt. Sie einmal allein auf der Laute zu hören, war in der Tat eine Neuerung. Schon das Auslösen des Tons durch Zupfen ist beinahe perkussiv, zumindest »härter« als es mit einem Bogenstrich möglich ist. Und die Fortdauer liegt im Abklingen. Soll ein Ton anhalten, muß der Lautenist erneut zupfen, wo beim Violoncello ein gestrichener Dauerton zur Verfügung steht. »Gegen den Strich« klang es dennoch aber nicht!
Erfrischend wurde das Programm mit kleinen Überraschungen, wie den Trillern im Andante der Sonate e-Moll (BWV 1034). Nach der Pause fügten Dorothee Oberlinger und Edin Karamazov gar ein Vivace à la française vor die Sonate E-Dur (BWV 1035). Dagegen fehlte der Partita a-Moll (BWV 1013) für Flöte solo der Glanz, auch wenn die Sarabande gesangvoll gelang. Fast zwei Stunden wurden es am Ende, für die Dorothee Oberlinger zwischen Sopranino, Sopran- und Altflöten wechselte. Im Concerto d-Moll (BWV 874) nach Alessandro Marcello durfte die Laute noch einmal auftrumpfen – fast wie ein Klavier klang sie durch den Lautsprecher, aber eben nicht ganz »echt«.
13. Juni 2023, Wolfram Quellmalz