Charmant, charmant!

Trio Adeste mit französischer Barockmusik in der Liebethaler Kirche

Bei »Barockmusik« denken die einen an Italien, die anderen diskutieren, ob Bach barock sei oder nicht eher eine ganz eigene Kategorie. Warum nur sind die Italiener aber so stark vertreten? Wegen ihrer unmittelbaren Emotionalität? Wohl auch, weil es damals in den vielen Fürstentümern so viele musikalische Zentren und Schulen gab. Venedig war nur eine von vielen, Bologna, Florenz, Neapel …

Liebethaler Kirche, Photo: NMB

Im absolutistischen Frankreich gab es nur einen Hof, wer als Musiker etwas gelten wollte, mußte da hin. Allerdings wandelte sich das Bild im 18. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Concert spirituel, die neben den höfischen Opern- und Konzertvorstellungen fußfaßten und dafür sorgten, die Türen in Länder wie Italien zu öffnen und neue Entwicklungen anzustoßen.

Einen Teil dieser Geschichte machte das Trio Adeste am Sonnabend in der Liebethaler Kirche erfahrbar, denn hier stand mit dem Titel »Unter den Strahlen des Sonnenkönigs« einmal ausschließlich französische Barockmusik im Mittelpunkt. Und diese bot schon in der kleinen Besetzung (Violine: Adela Drechsel, Viola da Gamba: Ulla Hoffmann, Cembalo: Claudia Pätzold) einen Reichtum an musikalischen Ideen und Bildern. Adela Drechsel führte charmant durch die Geschichte(n) der Musik und erklärte, was das besondere sei: während man in Italien Leidenschaft oder Melancholie sehr direkt und ausdrucksstark präsentierte, seien die Affekte in Frankreich versteckt, aber »hinter der Kulisse der Noten« immer vorhanden. Sie herauszukitzeln ist indes eine Krux – viele Sonderzeichen über den Noten legen fest, wie genau diese verziert werden sollen. Einfach »vom Blatt« kann man das gar nicht spielen, zunächst gilt es, das Vorwort des Komponisten mit all seinen Ausführungsanweisungen genau zu studieren.

Das Trio Adeste in der Liebethaler Kirche, Photo: NMB

Doch es lohnt, zeigte sich am Sonnabend! Zumindest, wenn sich ein Trio auf »Ohrenhöhe« trifft und so ausgewogen spielt – trotz der Hitze draußen. Vor allem Ulla Hoffmann machte dies zu schaffen. Schließlich verfügt ihre Gambe nicht nur über sieben Saiten (statt vier bei der Violine), sie verstimmen sich dazu schon bei der kleinsten Temperaturschwankung. Missen mochte man sie natürlich nicht, denn (wie die Spielerinnen erinnerten): die Gamben sollen in der Musik die Seele besänftigen, die Violinen beleben.

Ob nun erfrischend oder beruhigend: François Couperin, Marin Marais, François Francœur und schließlich Jean-Marie Leclair boten viele Gelegenheiten zur Imagination. Schon bei Couperins Concert royaux VII konnte man abschweifen, sich französische Szenen und Stimmungen einer Abendgesellschaft vorstellen, über Empfänge und Bälle hinaus. Vor allem zeigte das Trio Adeste, daß eine große Eleganz für französischen Barock wohl als typisch angesehen werden kann, selbst wenn eine Gavotte ziemlich flott angefegt kommt. Noch flotter ging es mit dem Duo Viola da Gamba und Cembalo, die eine Fassung der berühmten »Folia« von Marin Marais präsentierten. Claudia Pätzold hatte zuvor die verliebte Nachtigall (François Couperin »Le rossignol-en-amor«) solo dargeboten und ihr Cembalo »schluchzen und schlagen« lassen.

Insgesamt blieb es ausgeblichen, selbst wenn die Violine meist das erstgenannte Soloinstrument war. Doch ein Basso continuo kann ebenso ausdrucksstark und vielfarbig sein wie die Solostimme, oder aber die drei fanden in einem Kanon mit Variationen zusammen wie in Marin Marais »Sonnerie de St. Genevieve du Mont de Paris«, der in einen harmonischen Einklang führte.

Mit Jean-Marie Leclairs Sonata VIII brachen die Musikerinnen von Frankreich in Richtung Italien auf – dort hatte Leclair das Violinspiel vervollkommnet. Es blieb in der Liebethaler Kirche aber mit der französischen Eleganz verbunden.

9. Juli 2023, Wolfram Quellmalz

Im September lädt die Liebethaler Kirche zu einem Wochenende mit viel Jazzmusik (Liebethaler GrundTon 2023)

http://www.kirche-graupa.de/

Adela Drechsel ist als Musikerin in verschiedenen Ensembles und Projekte aktiv:

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