Sommer und Empfindsamkeit

Orgel und Flöte trafen sich in Altkaditz

Am Freitag hatten die Besucher der Emmauskirche Glück, im zweiten Sommerkonzert der Reihe »Orgel plus« zwischen den (teils sehr) erfrischenden und erwarteten Regengüssen der letzten Tage eine Ruhepause erwischt zu haben. Die Ruhe war in der Atmosphäre ebenso zu spüren wie in der Stille – gute Voraussetzungen nicht nur für die Musik, sondern für das anschließende Beisammensein unter der Linde.

Sommer in Altkaditz, Photos: NMB

Das »Plus« zur Orgel (gespielt von Karl Joseph Eckel) war diesmal die Flöte (Marie Luise Ludewig). Gemeinsam wollten die beiden Musiker jene magischen Momente erforschen, in denen sich die Nacht still über die Felder legt und den Himmel in die schönsten Farben taucht – im Tagesablauf jene Zeit, da wir empfindsamer werden. In der Musik machen wir, beginnend mit den 1720er und 1730er Jahren, der Zeit der Bach-Söhne, die »empfindsame Epoche« aus. Was nicht heißt, daß es nicht schon davor oder später in der Epoche der Klassik empfindsame Musik gegeben hätte – in festgesteckten Grenzen zu denken führt selten ans Ziel.

Kennzeichnend für die Stilrichtung sind eine einfache, unmittelbar kantable Melodien, weniger die Affekte. All dies fand sich auch bei Marie Luise Ludewig und Karl Joseph Eckel, die den Abend mit Johann Sebastian Bachs Sonate g-Moll (BWV 1020) begannen, in der sich die Stimmen von Orgelpfeifen und Flöte umspielten, im Adagio schimmerten die Farben der Dämmerung besonders schön hervor. Gerade die langsamen Sätze waren es, denen nachzuspüren nicht nur Freude machte, sondern ein ganzes Spektrum zu öffnen schienen, wie später in Wolfgang Amadé Mozarts wunderbar kantablem Andante C-Dur (KV 315).

Eine andere Bereicherung waren Stücke von Komponisten, die weniger bekannt sind oder die auf bestimmte Instrumente festgelegt scheinen. In Noël Gallons »Recueillement« (Besinnung bzw. Andacht) oder Hans Hillers Andante religioso folgte die Melodie einem ruhigen Fluß, der jedoch nicht gemächlich »plätscherte«, sondern emotionale Höhepunkte aufwies, die wieder beruhigt wurden. Die Empfindsamkeit lag im Gegenüber der Stimmen, die sich eng umschließen konnten oder stützten – bei Hiller durchschritt die Orgelstimme nebenbei ein kleines Choralbuch!

Johann Ludwig Krebs wiederum ist als Bach-Schüler und vor allem Autor von Orgelwerken bekannt, seine Phantasie C-Dur hätte Patin stehen können für die Stilepoche der Empfindsamkeit und gehörte zu jenen Werken im Konzert, die ihre Schattierungen einer großen Ausgewogenheit verdankten. Das lag nicht zuletzt an der Interpretation, begann mit der Registrierung der Jehmlich-Orgel schloß die Abstimmung der beiden Spieler aufeinander ein.

Diese nahmen sich beide eine kleine Auszeit bzw. überließen sie dem jeweils anderen für einen Soloauftritt. Karl Joseph Eckel ließ auf Johann Ludwig Krebs ein Allegro von Johann Sebastian Bach nach Antonio Vivaldis Concerto RV 522 folgen. Hinsichtlich der Filigranität blieb das Werk dort, wo es bei Vivaldi mit Violinen und Streichern so schön jubiliert. Solchen Jubel- oder Vogelgesang gab es noch in »Un oiseau en mai« von Jean Sichler.

Das Solostück von Marie Luise Ludewig kam von Georg Philipp Telemann – für die Phantasie Nr. 3 wechselte die Flötistin zur Traversflöte, die mit ihrem etwas dunkleren, wärmeren Klang noch mehr in die Abendstimmung führte.

In den Abendstunden werden Kerzen entzündet oder die Sterne leuchten. Mozart wußte dies galant in Noten zu setzen, Karl Joseph Eckel ließ bei ihm den Zimbelstern funkeln, auch noch einmal in einem Konzert-Allegro in der Zugabe.

29. Juli 2023, Wolfram Quellmalz

Das letzte der Orgel-plus-Konzerte findet am 18. August statt. Dann werden Elke Voigt (Orgel) und Juliane Gilbert (Violoncello) in der Emmauskirche Dresden-Altkaditz erwartet. https://www.laurentius-dresden.de

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