Balint Karosi in der Freiberger Abendmusik
Der Name Balint Karosi mag bei uns vielleicht nicht so geläufig sein, Orgelfreunde jedoch haben ihn zumindest irgendwo im Hinterkopf – da war doch etwas? Genau: 2008 gewann der Ungar den Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb Leipzig. Bach gilt seitdem eine umfangreiche CD-Einspielung mit dem Werk des Thomaskantors an amerikanischen Orgeln – in Nordamerika hat Balint Karosi mittlerweile eine Heimat als Kantor und Lehrbeauftragter gefunden. Nicht nur der Orgel ist er dabei treu geblieben, seinem zweiten Instrument, der Klarinette, widmete er sich unter anderem als Komponist, wie eine der jüngsten Einspielungen beweist.
Gegenwärtig verbringt der Organist den Sommer in Europa, war in Spanien und der Slowakei zu Gast, in den kommenden Tagen geht es nach Norwegen. Am Donnerstag spielte er im Rahmen der Abendmusiken im Freiberger Dom. Noch bis zum Herbst erklingt hier jede Woche Musik, meist an beiden Silbermann-Orgeln. Zur Halbzeit freute sich Domführer Torsten Lange über den gelungenen Brückenschlag, schließlich steht in Boston, wo Balint Karosi heute lebt, eine Kopie der Freiberger Goldenen Pforte.

Balint Karosi an der großen Silbermann-Orgel des Freiberger Doms, Photo: NMB
Doch auch rein musikalisch gab es gleich mehrere Brücken – Johann Sebastian Bach gehörte zu den Grundpfeilern des Programms. Bach und Silbermann – sie waren Zeitgenossen – sollen sich ja nicht unbedingt verstanden haben. Die historischen Belege zeugen eher von Vermeidung als Abneigung – vielleicht einfach deshalb, weil sie sich – jeder auf seinem Gebiet – so ähnlich waren?
Die kleine Silbermann-Orgel darf sich hinsichtlich Farbe und Volumen durchaus mit der großen Schwester messen. Klar kann die mehr, ist (noch) prächtiger, doch macht die kleine auch im direkten Vergleich keinen minderen Eindruck. Das führte Balint Karosi sehr schön mit seinem Übergang vor – die erste Programmhälfte schloß mit einer aufregenden Ensalada (etwa »Mischung« oder »Quodlibet«) aus Sebastián Aguilera de Heredias Obra del 8. Tono (Musikstück über den 8. Ton), die binnen kurzem mit zwar feingliedrigen, wiewohl fanfarenartigen Motiven, Steigerungen und harmonischen Wendungen überraschte. Michael Praetorius‘ Choralbearbeitung über »Eine feste Burg ist unser Gott« schien den Orgelklang (nun am großen Instrument) aufzunehmen, blieb jedoch näher am Thema, während ihn Heredia an kompositorischer Raffinesse überragte.
Den Grundstein des Konzerts hatte Balint Karosi mit einer Toccata Georg Muffats gelegt. Die siebente aus einer Sammlung von zwölf bewies, wie geschmeidig das Werk, dessen Name sich vom »Schlagen« herleitet, wirken kann. Ein Allegro von Christian Petzold nahm glitzernde Silbereffekte auf und endete – fast ein Tusch – mit einem »Zirkusakkord«.
Die Werkauswahl bezog sich vor allem auf Stücke, denen ein Gesang zugrunde liegt oder die mit den Formen spielen. Zu ersteren gehörten drei Choralvorspiele von Gottfried August Homilius, dem modernsten Komponisten des Abends, der uns heute vor allem als Kreuzkantor und mit Vokalwerken gegenwärtig ist, aber ebenso als Organist bewandert war. »Schmücke dich, oh liebe Seele«, »Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut« sowie »Straf mich nicht in deinem Zorn« folgten einer deutlich anderen Klangsprache und gingen mit Seelenzuständen oder emotionalen Ausdrücken ganz anders, man könnte sagen vorsichtiger, um. Mit Liebreiz (erstes), Funkeln (zweites) und Sanftheit (drittes) waren sie dennoch ausdrucksstark. Balint Karosi setzte hier den Pedalbaß wirkungsvoll in Szene.
Schließich ist das Pedal oft nicht nur Untergrund, sondern Bindeglied, auch bei Bach. Präludium und Fuge d-Moll (BWV 539), an der kleinen Orgel gespielt, waren darin noch zurückhaltend, im Vergleich mit Heredia wirkte es geradezu beherrscht. Ein Trio (BWV 583) und drei Choralvorspiele (BWV 704, 1085 und 1095) leiteten das Finale ein. Gewöhnungsbedürftig war die Auswahl stark tremolierender Register (wie für »Oh Lamm Gottes unschuldig«, BWV 1095), ein bei Michael Praetorius dazu mit Trillern gesteigerter Effekt, der zwar der menschlichen Stimme näher kam, im Kontrast aber übertrieben schien – letztlich Geschmackssache.
Mit Johann Sebastian Bachs Ricercar à 6 voci BWV 1079 aus dem »Musikalischen Opfer«, sozusagen der Vorführung einer Meisterfuge, schloß das Konzert und führte Bach wie Silbermann noch einmal vor: flutend und doch wohlartikuliert blieb davon niemand unberührt.
4. August 2023, Wolfram Quellmalz
Noch bis zum 12. Oktober gibt es an jedem Donnerstag 19:30 Uhr im Freiberger Dom die Abendmusik. In der kommenden Woche ist Mari Fukumoto (Weimar) zu Gast, mit Spannung erwartet werden dürfte Thomasorganist Johannes Lang am 24. August.
Mehr zu Balint Karosi incl. vieler Klangbeispiele (Audio / Video) finden Sie auf seiner Internetseite:
Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen: