Moritzburg Festival feiert sonnigen Höhepunkt
Hatten tags zuvor noch die Unwägbarkeiten des Wetters – unabhängig von den Spielplatzvorlieben – für Anspannung und eine Verlegungsnotwendigkeit gesorgt, war der Sonntag frei von solchen Risiken. Nicht nur das: das Proschwitzer Picknick, für viele ein liebgewonnenes Familienausflugsziel mit Erstkontakt für die Jüngsten beim Moritzburg Festival (MBF), war sogar »doppelt entspannt«. Erneut (fast schon traditionsgemäß) ohne Regenrisiko, sorgte die lockere Bewölkung im Gegensatz zu manch glühendheißer Matinée der vergangenen Jahre diesmal für eine luftige Atmosphäre.
Die blieb auch musikalisch gewahrt. Besonders, weil die Darbietungen stimmten und weil manche Titel oder Komponisten so gut paßten bzw. mittlerweile mit dem MFB verbunden scheinen. Wie etwa Gioachino Rossinis Duo für Violoncello und Kontrabaß (Luis Aracama Alonso und Eduardo Alcântara dos Santos). Die beiden Portugiesen – insgesamt waren siebzehn Nationen weltweit unter den 42 Akademistinnen und Akademisten vertreten, die meisten, neun, kamen aus Spanien – bewiesen, daß der sanguinische Komponist noch instrumental nahe der Oper blieb – im Duowechsel mit Pizzicato schienen Mozarts Papagena und Papageno nicht weit.

Jiwon Choi, Hemma Wenzler, Viola Innocenti, Karina Lewicka und Arne Zeller trafen sich beim Allegro aus Mozarts Streichquintett KV 516, Photo: NMB
Ob jeder der Titel hätte moderiert werden müssen, bleibt Geschmackssache, nicht zuletzt ist es eine Frage der Zeit (das Picknick dauert bereits über drei Stunden). Nicht immer gelang die kleine Vorstellung, manchmal jedoch sehr charmant, was wieder dafür spricht. Statt »immer« würde ein »manchmal« vielleicht genügen? Zum Beispiel, um so in jeder Hinsicht exotische, vor allem aber lohnende Werke wie die Sonata für zwei Violinen von Joseph Bologne vorzustellen, der Kaiyuan Wu und Anne-Héloïse Gevers nicht nur die nötige Virtuosität verliehen, sondern ihre beflügelnde musikalische Schönheit zeigten – so etwas macht neugierig!
Natürlich durften weder Mozart noch Boccherini fehlen. Zwar mag mancher in der Kleinteiligkeit des Akademieprogramms einen Nachteil sehen – dem einen oder anderen fehlt hier die Spannung eines ganzen Werkes – doch darf man nicht vergessen, daß sich einerseits so viele der Akademisten vorstellen können, andererseits bezieht die Vielfalt der Stücke noch die Besetzungen ein. Ein Quartett für vier Violinen von Grażyna Bacewicz, eine Auswahl aus Modest Mussorgskis »Bildern einer Ausstellung« für fünf Bläser und drei Arrangements von Beatles-Songs für Violoncelli standen ebenso im Programm. Nachdem zur Serenata am Donnerstag die Hörner eine besondere Bühne gefunden hatten, leiteten am Sonntagmorgen Jose Luis Marhuenda Ramón und Ido Moran (Trompeten) mit Intradas zwei der Konzertteile ein.

Ein Moritzburger Akademie-Favorit: Gioachino Rossinis Duo für Violoncello und Kontrabaß, hier mit Luis Aracama Alonso und Eduardo Alcântara dos Santos, Photo: NMB
Das Pensum der Akademie, die am Sonnabend gleich wieder im Kulturpalast zu erleben ist, war hoch. Doch es sind schließlich die besten, eine Auswahl aus über 400 Bewerbungen. Oder wie Cellist Arne Zeller aus Mainz es formulierte: »Man kann auch acht Stunden am Tag üben und trotzdem nichts dabei erreichen«.
Während die Teilnehmer der Akademie gerade aufgebrochen sind, um etwas zu erreichen, können die Solisten des Hauptprogramms bereits auf eine beträchtliche (Moritzburg)erfahrung zurückblicken. Daraus ergeben sich beim Abendkonzert auf der Schloßterrasse Momente, wenn drei Musiker, die sich hier treffen, zusammenfinden, als wären sie ein permanentes Trio. Wie Louis Lortie (Klavier), Kai Vogler (Violine) und Andrei Ioniță (Violoncello). Daß Andrei Ioniță das Klavier ebenso beherrscht wie das Cello, mag vielleicht helfen, Werke wie Ludwig van Beethovens »Erzherzog«-Trio (Opus 97) zu erarbeiten. Wesentlicher ist aber wohl, sich gegenseitig zu verstehen. So entstand eine entspannte Munterkeit, eine wachsene Prägnanz und Präsenz einzelner Stimmen, ganz ohne daß diese die anderen übertönten. Während das Andante cantabile an Beethovens Lieder erinnerte, verblüfften die stimmigen dynamischen Wechsel des Finales, die Konturschärfe, der pointierte Schluß.
Dem setzten Stella Chen und Kai Vogler (Violinen), Matthew Lipman und Paul Neubauer (Violen) sowie Festivalleiter Jan Vogler (Violoncello) mit Sergej Tanejews Streichquintett Nr. 2 noch eins drauf. Oder schlossen sich an – wieder ging ein Teil der Belebung auf die wechselnden Stimmenverflechtungen. Nicht nur, daß die erste Violine einmal aussetzt und die zweite führt, auch sonst gab es manche Rollenverschiebung, verschiedene Solo- und Tuttianteile. Teils schienen alle fünf völlig individuell, wurden aber spätestens mit der nächsten Fermate umstrukturiert. Kammermusikalisch vollendet gelang das Duo der außen sitzenden Stella Chen und Jan Vogler, die vom inneren Trio gebunden wurden.
14. August 2023, Wolfram Quellmalz
Am Sonnabend spielt sie in Orchesterstärke im Kulturpalast (19:30 Uhr »Moritzburg für alle«). Karten sind noch erhältlich.