Thomasorganist Johannes Lang in der Freiberger Abendmusik
Die Vielfalt der Orgelmusik fördert immer wieder erstaunliches zutage, gerade wenn unbekanntere Werke oder Komponisten hervorgeholt werden oder interessante Gegenüberstellungen entstehen. Vergangenen Donnerstag war der Leipziger Thomasorganist Johannes Lang zu Gast im Freiberger Dom St. Marien und spielte an den beiden Silbermann-Orgeln. Wie meist begann er sein Programm an der kleinen, um sich in der zweiten Hälfte zu steigern. Den Wendepunkt markierten zwei Improvisationen – eine Toccata am kleinen Instrument, für ein Ricercare wechselte Johannes Lang danach zur großen Schwester. Dabei schien die Toccata freier, nach dem zunächst Oberstimmen und Baß für einen hohen Kontrast gesorgt hatten. Das Ricercare hatte größere dynamische Überhöhungen, wurde aber (im direkten Vergleich) von einem regelmäßigeren Gleichmaß bestimmt.
Johann Sebastian Bach fungierte mit Praeludium und Fuge g-Moll (BWV 535) zu Beginn und dem Pièce d’orgue (BWV 572) am Ende als Klammer des Programms, wobei das erstere Werkpaar mit Sanftheit und schmeichelndem Glockenspiel überzeugte, während ihn das zweite verspielt zeigte, mit einem Klang, der zauberischem Silberflitter glich und einen Zimbelstern ersetzte.

Andreas Düben, Bildquelle: Wikimeda commons
Die »Funde« ergaben sich dazwischen bei Komponisten, die kaum noch bekannt, fast vergessen sind (weshalb man [gesicherte] Abbildungen teils nicht findet). Wirklich großartig geriet Johannes Lang Andreas Dübens Misere mei Deus, das in milder Dunkelheit erwachte und fulminant zu wachsen schien – das herrlichste Stück des Abends!
Kaum weniger überraschend, überzeugend und beglückend war Vincenco Albricis Sonata d-Moll, deren filigranen Aufbau Johannes Lang auf der kleinen Silbermann-Orgel wunderbar klar darstellte. Berückend auch, weil die Teile der Sonate, die eng geschlossen ineinander übergingen, nicht wie oft gewohnt Gegensätze (in Farbe, Tonhöhe oder Tempo) zeigten, sondern eine unmittelbare Entwicklung mit Steigungen (auf und ab) offenbarten.
Noch mehr verblüffte aber wohl Jean-Adam Guilains Suite du II. Ton. Schien es doch fast, als sei die große Silbermann-Orgel plötzlich ganz anders gestimmt. Chromatisch und harmonisch aufregend, konnte man so klassische wie typische Sätze aus Orgel-Suiten hören (Basse de trompete, Trio des flûtes), entdeckte darin Fugen und immer neue kleine Formen oder musikalische Ornamente.
26. August 2023, Wolfram Quellmalz
Die nächste Abendmusik des Freiberger Doms findet unmittelbar vor Beginn der Silbermann-Tage statt. Dann spielt die belgische Organistin Els Biesemans Werke von Gustav Düben (ein Sohn Andreas‘), Vincent Lübeck und Johann Sebastian Bach.
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