Orgelzyklus mit Variationen

Domorganist Sebastian Freitag an drei Orgeln

Da kamen in dieser Woche gleich zwei wichtige Orgeltermine nahe zusammen: Domorganist Sebastian Freitag (Dresden) spielte am Mittwoch im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ in der Frauenkirche (»Mozart nachgespürt«), tags darauf war er im letzten der Freiberger Abendmusiken im Dom St. Marien. Da »traf« es sich doch ganz gut, dies noch mit einer Mittagsmusik an der Katholischen Hofkirche kombinieren zu können. Denn dort liegt die halbe Stunde Orgelmusik immer mittwochs und sonnabends in der Regel in den Händen (und Füßen) des Domorganisten.

So war es denn auch – drei Konzerte also, und wer meinte, es gäbe dreimal dasselbe oder zumindest annähernd, sah sich getäuscht. Die Schnittmenge war angemessen und eher dem vergleichenden Hören zuträglich. So erklang Nicolaus Bruhns‘ »großes« e-Moll-Praeludium jeweils zu Beginn an den beiden großen Silbermann-Orgeln (Dresden / Hofkirche und große Orgel in Freiberg). Mit dem Capriccio spora la serenita Opus 16 von Jürgen Essl gab es dazu jeweils ein modernes Werk. Die Hommage an Girolamo Frescobaldi erklang in Freiberg an der kleinen Orgel.

Drei Kirchen in zwei Tagen: Domorganist Sebastian Freitag spielte in der Katholischen Hofkirche Dresden (links), der Dresdner Frauenkirche (Mitte) und dem Freiberger Dom, Bildquelle: Wikimedia commons

Für das Dresdner Praeludium in der Hofkirche hatte Sebastian Freitag außerdem das Choralvorspiel »Vater unser im Himmelreich« von Georg Böhm sowie Phantasie und Fuge c-Moll Opus 109 von Gustav Adolf Merkel ausgewählt. Damit war die knappe Zeit mit einer großen Spannweite ausgelegt, die vom filigranen Klang bis zu volltönenden Registern viele Silbermann-Qualitäten hervorhob.

In der Frauenkirche ging die Silbermann-Orgel bekanntlich im Krieg verloren, sie wurde nach dem späten Wiederaufbau bzw. der Rekonstruktion durch ein neues Instrument der Firma Kern ersetzt. Etwas schade, aber verständlich war, daß Sebastian Freitag von der ursprünglichen Planung, Max Regers Mozart-Variationen Opus 132, abgerückt war. Gespielt hat er das Werk in diesem Jahr bereits, doch kann man das komplexe und anspruchsvolle Stück nicht eben mal »abrufen«, es verlangt eine lange, dezidierte Pflege und Vorbereitung. Mit Phantasie und Fuge über B-A-C-H (Opus 46) von Max Reger hatte Sebastian Freitag einen adäquaten Ersatz ans Ende seines Programms gesetzt. Ob der Anfang so glücklich war, ist dagegen Geschmackssache. Johann Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll (BWV 582) nimmt den anderen Programmpunkten schlicht den Platz (oder Atem), hat viel Schau- (also Hör-)Effekt und war vielleicht nicht die ideale Einleitung. Auch César Francks Choral h-Moll – im Franck-Jahr 2022 ohnehin mehrfach gehört – konnte das noch nicht ausgleichen oder mit Begeisterung wettmachen, wiewohl das Werk an sich interessant ist, mit dynamischen Steigerungen, Modulation und anderem arbeitet und am Ende den Choral (selbst wenn es keiner im liturgischen Sinn ist) in eine Lichtebene erhöht.

Das Aufhorchen kam mit Rainer Lischkas Hommage à Gottfried Silbermann und Regers B-A-C-H. Der zeitgenössische Dresdner Komponist Rainer Lischka bietet dem Hörer viele Einstiegsmöglichkeiten, biedert sich aber nicht an. Vor allem aber birgt er manche akkordische und chromatische Überraschung. Daß ihn Sebastian Freitag auch in seinem Programm für Freiberg hatte, gefiel um so mehr. Für den glücklichen Dresdner Abschluß sorgte zunächst Regers Opus 46 und hier dezidiert die aus der Ruhe gehobene, wunderbare Fuge! Ihr sandte Sebastian Freitag eine Choralbearbeitung von Heinrich Weber nach, einem Lehrer seines Lehrers Gerhard Weinberger.

In Freiberg müssen Organisten natürlich zwischen beiden Instrumenten wechseln. Und auch hier putzte Sebastian Freitag an beiden Silbermanns Filigranität heraus. Zunächst in Andreas Kellers vielteiligem Praeludium d-Moll. Neben dem typischen Silberklang gefielen die weichen Ornamentik und der samtene Baß.

Mit Jürgen Essl (kleine Silbermann-Orgel) und Nicolaus Bruhns (große) gab es die beiden Wiederholungen, bevor sich bei Jan Pieterszoon Sweelinck (Liedvariationen über »Est-ce Mars«) das Thema umfangreich in den Registern entfaltete. Die norddeutsche Orgelschule des Niederländers bewies Klarheit und Frische.

Nachdem Reger in Dresden über B-A-C-H das letzte Wort gehabt hatte, war es in Freiberg Johann Sebastian selbst mit »Allein Gott in der Höh sei Ehr« (BWV 662) sowie der Passacaglia BWV 582, nun aber mit der zugehörigen Fuge. Rainer Lischka sorgte als »Kontrapunkt« davor für eine Auffrischung des Programms.

13. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz

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