Junge Komponisten auf der Suche nach dem Klang
Erde – Stimme – Stadt war die Veranstaltung am Sonntagabend in der Dresdner Hochschule für Musik übertitelt. Zwar eindeutig als »Konzert« gekennzeichnet, wollte es mit elektronischen und multimedialen Elementen aber (vielleicht) mehr sein, mehr als nur eine Suche nach einem Klang.
Neueste Musik in sieben Uraufführungen gab es zu erleben, von Komponisten, die am Haus studieren, tätig sind und sich im Acantun Kollektiv zusammengeschlossen haben, wie die Chilenin Tamara Miller. Sie hatte in Zwei Miniaturen für Elektronik (Scope on scnapes I und II), die zu Beginn und in der Mitte des Abends gespielt wurden, Aufnahmen von Vögeln und Walen, aber auch den urbanen Lärm der Zivilisation zusammengebracht. Die Miniaturen kamen nicht fertig geschnitten »vom Band«, sondern wurden vom Komponistenkollegen Enrico Olivanti an einem Tablett gemischt, was ein wenig an ein elektronisches Flipper-Spiel erinnerte.

Photo: Acantun Kollektiv
Vielleicht war dieser visuelle Aspekt mit das irritierendste an diesem Abend: Einerseits bewußt eingeschlossen, fehlten letztlich Stringenz und Konsequenz. »Eine Stadt für Bashō«, ein Werk von Christa Abels für Chor und Instrumentalensemble nach Worten des Dresdner Dichters Thilo Krause, begann mit einer Art Vorspann, einer kurzen, rückwärtslaufenden Filmsequenz. Zu den Miniaturen für Elektronik wanderten Farblichter durch den Bühnenraum, Enrico Olivantis eigenes Werk, »City Lights« für Chor, Ensemble und Elektronik, spielte mit farbig wechselndem Bühnenlicht. In diesem Fall wegen des Titels zwar nachvollziehbar, war der Zusammenhang letztlich nicht immer zwingend. Oft standen Chor, Ensemble und sogar Dirigentin und Künstlerische Leiterin des Abends Katharina Dickopf im Dunkel oder Halbdunkel, das Publikum sowieso – was einen Blick ins Programmheft unmöglich machte, die Erkundung erschwerte. Für manche zu viel Irritation, da gab es zwischendurch ein kräftiges »Buh!«
Musikalisch interessant war es denn doch, lohnte der Mühe, vor allem, wenn man in dem Bewußtsein teilnahm, daß gerade solche Experimente und Wegsuchen wichtig sind und an Orte wie den Konzertsaal der Musikhochschule gehören. Großartig war die Mitwirkung des Jungen Ensemble Dresden (Einstudierung: Karl Bernewitz, teilweise auch Dirigat), das in gleich vier Werken zu erleben war. Vor allem »Hier wie dort«, von Niklas Bladt in eine moderne Chorsprache umgesetzt, war wohl eines der stimmigsten, zugänglichsten Werke, während Enrico Olivantis »City Light« die stilistische Vielfalt bis zur Unkenntlichkeit trieb und den Chor in einem gefälligen »Karl-Jenkins-Kostüm« ausklingen ließ.
Christian Mietke gelang mit »Biomimesis« nach einem Text von Walt Whitman eine konkretere Annäherung. Chor und Ensemble waren aufgeteilt und standen sich auf Bühne und Rang gegenüber. Noch dichter hatte sich die revidierte Version von »Ruinas invisibles« von Alberto Arroyo präsentiert, die vom Ensemble El Perro Andaluz, das an diesem Abend gewohnt sicher in verschiedene Rollen schlüpfte, allein präsentiert wurde. Dem Komponisten war die Form der Sublimierung oder Konzentration gelungen, die Darstellung von Klängen, welche durch Impulse aufeinander bezogen scheinen, dabei aber offen, interpretierbar bleiben. Wenn beispielsweise die Holzbläser nur den Wind in ihren Instrumenten spielen – ist es Windhauch oder Atem?
Viele Fragen blieben also offen – um Antworten zu finden, sollte man solche Experimente fortsetzen.