Krönung und Abschluß

Heinrich Schütz Musikfest

Für Residenzen von Künstlern bei Festspielen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Völlig legitim ist es, gerade wenn das Fest an verschiedenen Orten stattfindet, das gleiche Programm mehrfach zu präsentieren, schließlich ist das Publikum je nach Stadt und Region jedes Mal ein anderes. Die Hamburger Ratsmusik, in diesem Jahr Artists in Residence beim Heinrich Schütz Musikfest, nutzte jedoch die Vielfalt ihrer Möglichkeiten und bot immer anderes, im Programm wie in der Besetzung. Nach dem festlich-besinnlichen Auftakt in der Marienkirche Gera (»Fürnembste Musici«) und den »Hamburger Schützen« in der Dresdner Annenkirche (die NMB waren überall dabei) gab es am Sonntag einen Ausklang in der Kirche St. Leonhard Bad Köstritz, wo es »Elbwärts« hieß.

Abschlußkonzert des Heinrich Schütz Musikfest in der Kirche St. Leonhard Bad Köstritz mit den Artist in Residence der Hamburger Ratsmusik, Photo: Heinrich Schütz Musikfest, © Mathias Marx

So ganz nebenbei erlebte man die Hamburger Ratsmusik um Simone Eckert (vorab auch gerne im Gespräch) in verschiedenen Ausbaustufen. Trat sie in den ersten Konzerten noch in einer erweiterten Form nebst Barockviolinen auf, war am Sonntag der Kern mit Simone Eckert (Viola da gamba und Leitung), Anke Dennert (Orgel und Cembalo) sowie Ulrich Wedemeier (theorbierte Lauten und Knickhalslaute) zu erleben. Mit Clara Steuerwald und Kerstin Dietl (Sopran), Francis Gush (Altus), Mirko Ludwig (Tenor) sowie Sönke Tams Freier (Baß) stand zudem ein feines Vokalensemble zur Verfügung, das sich ebenso eloquent wie flexibel solistisch, im Duett oder à trois einsetzen ließ.

Das so ganz andere Programm brachte dennoch eine Qualität der Hamburger Ratsmusik wieder, die schon in den Konzerten davor zu erleben gewesen war: im Gegenüber instrumentaler und vokaler Stücke brach die Eleganz feinsinniger Rhythmen und tänzerischer Musik durch, während die Wortauslotung der Texte abermals superb und sinnig gelang. Diesmal rankten sich vor allem Pavanen und Galliarden durch den Raum und gingen eine schlüssige Verbindung mit Magnificat, Liedern und Geistlicher Musik ein. Der Elbstrom gab dem Programm nicht allein den Namen, er verband auch die aus unterschiedlichen Ländern stammenden Komponisten. Alessandro Orologio (Intrada für Orgel solo) und Tobias Hume (»The King of Denmarkes delight«) zeigten sich ebenso verbunden wie John Dowland (im Lautenbuch der Elisabeth von Hessen »Daulant« genannt), Moritz von Hessen-Kassel (Pavana del povero soldato mit Battaglia-Anklängen) stand Heinrich Schütz ohnehin nahe.

Abschlußkonzert des Heinrich Schütz Musikfest in der Kirche St. Leonhard Bad Köstritz mit den Artist in Residence der Hamburger Ratsmusik, Photo: Heinrich Schütz Musikfest, © Mathias Marx

Vieles scheint beim Heinrich Schütz Musikfest wie im Spiegel. Hatten wir am Tag zuvor (»Israel-Brünnlein« in der Dresdner Frauenkirche) gerade noch im Vorgespräch gelernt, daß Johann Hermann Schein im Gegensatz zu Heinrich Schütz die Form der Madrigale bevorzugt hatte (Schütz schrieb sehr viele Motetten), erinnerte die Hamburger Ratsmusik mit ihrer Werkauswahl daran, daß man aus solchen (gültigen) Aussagen keineswegs eine Ausschließlichkeit ableiten darf – Heinrich Schütz‘ Italienische Madrigale, entstanden während seines ersten Venedig-Aufenthalts, gehören zum köstlichsten, was der Komponist geschrieben hat. Zwei kleine Ausschnitte daraus (O Primavera, SWV 1, und Fuggi, o mio core, SWV 8) bewiesen dies deutlich. Instrumental verströmte vielleicht die Lachrymae Pavanaen von Johann Schop (noch eine Wiederbegegnung bei Heinrich Schütz Musikfest und Hamburger Ratsmusik) mit Gambe und Laute den größten Zauber. Da fiel der Abschied durchaus schwer, aber ein Besuch der Schütz-Häuser in Bad Köstritz und Weißenfels zum Beispiel, lohnt auch zwischen den Musikfesttagen.

16. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz

Das Heinrich Schütz Musikfest empfängt seine Gäste im kommenden Jahr vom 4. bis 13. Oktober.

https://www.schuetz-musikfest.de

Hinterlasse einen Kommentar