Im Wiederholungsfalle amüsant

Repertoirevorstellung von Rossinis »Barbier« an der Semperoper

Mittlerweile ist Gioachino Rossinis »Il Barbiere di Siviglia« von 2008 in die Jahre gekommen. Die Koproduktion mit dem Opernhaus Zürich gefiel in ihrem Premierenjahr bereits mit Spielwitz und einem märchenhaften Bühnenbild, selbst wenn dieses – an die Züricher Bühnenverhältnisse angepaßt – in Dresden etwas eingelaufen wirkt. Nun war es wieder einmal Zeit für einen Besuch im Repertoire.

Maxim Mironov als Il Conte d’Almaviva, Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Photo: Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

Die Aussichten bzw. Voraussetzungen waren nicht schlecht: Abgesehen vom positiven Eindruck der Erinnerung damals fiel das Besucherecho anno 2023 gleichfalls begeistert aus. Auch der Dirigent, Pianist und Organist Aurel Dawidiuk, der jüngst mit dem Ernst-von-Schuch-Preis ausgezeichnet wurde und kurz darauf mit der Kurt-Masur-Akademie auftrat (unser Bericht: https://neuemusikalischeblaetter.com/2023/11/29/kleine-jahreszeiten/), fand nur lobende Worte über die Inszenierung und die Sächsische Staatskapelle Dresden.

Wir haben die Vorstellung gestern besucht. Ein Montag im Advent, da waren im Haus auch ohne internationale Stargäste nur noch wenige Plätze leer. Und sogleich steht die Bezeichnung internationale Stargäste in Frage. Denn Dirigent Evelino Pidò darf zweifelsohne als solcher gezählt werden, Maxim Mironov (Graf Almaviva), Lilly Jørstad (Rosina) oder Marco Filippo Romano (Dottore Bartolo) standen ihm in nichts nach.

Maxim Mironov (Il Conte d’Almaviva, Mitte, roter Anzug) sowie Cecilia Molinari (Rosina), Alexander Vinogradov (Basilio), Andrei Zhilikovsky (Figaro), Gerrit Illenberger (Offizier), Roberto de Candia (Dottore Bartolo), Alice Rossi (Berta), Sächsischer Staatsopernchor Dresden, Photo (hier eine andere Besetzung): Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

DIE HANDLUNG

Graf Almaviva ist in Rosina verliebt und will sie für sich gewinnen. Im Wege ist ihm dabei Dottore Bartolo, der Vormund Rosinas, der sein Mündel nicht nur wie den eigenen Augapfel hütet, sondern selbst Absichten hat, diese zu ehelichen. Das allein klingt schon wunderlich, und so verwundert es wohl kaum, daß die Lage hier nicht in einem Gespräch erfaßt und eine Entscheidung herbeigeführt wird, vielmehr versucht es der eine (Graf) mit Verkleidung und Entführung, der andere (Dottore) mit Tricks und Tobsucht. Geizig soll er dazu noch sein. Ein paar Randfiguren (Don Basilio, Priester und Musiklehrer in einem, Wachmänner …) genügen, um ein herrliches Versteck- und Verwirrspiel anzustiften …

INSZENIERUNG UND AUFÜHRUNG

… und das hat sich auch jetzt nicht geändert! Dafür sorgen schon die Kostüme und vor allem die herrliche Drehbühne von Luigi Perego, die nach Baiser zu duften scheint. Grischa Asagaroff (Regie) hält nicht nur die Handlung in Schwung, sondern verbindet Musik, Spiel und Witz zu einem komödiantischen Lustspiel, an dem man sich ergötzen kann.

Getragen wird es zunächst von den Musikern der Staatskapelle, die mit schlanker Besetzung und vielen nur vom Cembalo begleiteten Rezitativen den roten Faden ebenso straff führen, wie sie Pointen herausarbeiten. Evelino Pidò ließ die musikalischen Lustbarkeiten blitzen und perlen wie Sekt in den Kelchen.

Oder war es ein Kichern? Das gab es oft im Publikum, nicht zuletzt wegen des herzigen Spiels auf der Bühne. Dem Ensemble gelang hier eine fabelhafte Balance, die den Witz zuließ, die Figuren aber nicht vorführte – man durfte also ebenso mit Dottore Bartolo lachen wie über ihn! Marco Filippo Romano ließ die wilde Energie und das Temperament des Vormundes sprühen. Maxim Mironov verlieh mit seinem auch im Belcanto erprobten Tenor dem Graf Hoheit und Vitalität – und nicht zuletzt Leidenschaft (interessant, die Unterschiede der Figurenkonstellation im Vergleich mit Mozarts Figaro zu sehen!). Lilly Jørstad wiederum veredelte mit ihrem Mezzosopran den Auftritt Rosinas, gab dem jungen Mädchen die Attribute der klugen Frau mit, wiewohl Rosina (aber wissen wir das wirklich?) ja eigentlich noch sehr unerfahren ist. Schon im ersten Auftritt ging diese Stimme unter die Haut!

Andrei Zhilikovsky (Figaro), Roberto de Candia (Dottore Bartolo), Maxim Mironov (Il Conte d’Almaviva), Cecilia Molinari (Rosina), Alexander Vinogradov (Basilio), Photo (hier eine andere Besetzung): Sächsische Staatsoper, © Klaus Gigga

Entscheidend waren dennoch die Ensembleszenen sowie die (wieder einmal) getroffene Feststellung, daß auch Oper eben Theater ist. Man durfte also mitfiebern, ob sich Rosina und Almaviva denn »bekommen« würden. Am 2. Januar besteht dazu wieder die Möglichkeit (gleiche Besetzung, allerdings mit Alessandro De Marchi als Dirigent).

13. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

https://www.semperoper.de

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