Gastkonzert des Hong Kong Philharmonic Orchestra als Vorprogramm der Dresdner Musikfestspiele
Mit Sonderkonzerten machen die Dresdner Musikfestspiele (DMF) traditionell Appetit auf die Festspielzeit, wie am Sonnabend mit dem Auftakt 2024 im Dresdner Kulturpalast. Intendant Jan Vogler durfte sich gleich über mehrere Premieren freuen, denn nicht nur der Dirigent Jaap van Zweden weilte das erste Mal in Dresden, das Hong Kong Philharmonic Orchestra (HKPO), dessen Music Director van Zweden seit 2012 ist, begann außerdem seine Gastspielreise hier. Damit feierte zudem »Asterismal Dance« (etwa »sternförmiger Tanz«, gerade am 17. Februar uraufgeführt) von Daniel Lo Ting-cheung seine Europäische Erstaufführung.
Das Scherzo fantastique, das vor Wochenfrist zur Uraufführung in Hong Kong gekommen war, ist ein Auftragswerk zum fünfzigjährigen Bestehen des HKPO. Die kleine Ouvertüre ließ den Nukleus eines klassisch geformten Themas, von den Streichern vorgegeben, munter durch die Stimmen des Orchesters schwirren, behielt einen gefälligen, manchmal an John Williams erinnernden Charakter, fand dabei zum prägnanten Mittel-Punkt einer kurzen Sequenz, die Kontrafagott, Pauken und schließlich die Fagottgruppe formten.

In Ludwig van Beethovens viertem Klavierkonzert (Opus 58, G-Dur) mit dem Pianisten Alexandre Kantorow gab sich das HKPO deutlicher zu erkennen, vor allem die Gruppen der tiefen Streicher gefielen mit Volumen und Tragfähigkeit, gaben zu Beginn pointiert ein Kontra, daß die Schlankheit der hellen Violinen überwog. Im einzelnen untadelig, schien die Orchesterbalance manchmal verschoben, schien Zusammenhalt zu fehlen oder der Gestus leicht kühl.
Alexandre Kantorow erwies sich als ausdrucksstarker Pianist mit lyrischer Gabe. Gerade seine Piani gelangen traumhaft, die Pointiertheit Beethovens griff er herzlich auf – Jaap van Zweden führte sie im zweiten Satz, den der Komponist mit einem Gegensatz von Solostimme und Orchester beginnt, zu einem glücklich vollendeten Schluß. Erneut waren es vor allem die dunklen Streicher, nun die beiden Solocellisten und die dicht geschlossene Violagruppe, die für Akzente sorgen.
Leichte Schwächen zeigte nicht der Pianist, sondern der Flügel, der im Forte zum Klirren neigte und – gerade in Pianopassagen unangenehm – bei getretenem Dämpfungspedal einen mechanischen Hall von sich gab. Alexandre Kantorows Zugabe, Johannes Brahms‘ traumschönes Nocturne-Intermezzo (Nr. 2 aus den Sechs Klavierstücken Opus 118), erweckte dennoch die Neugier auf mehr von diesem Pianisten.
Eine neunte Sinfonie stand nach der Pause auf dem Programm, aber nicht eine abendfüllende oder bedeutungsschwere wie von Beethoven oder Bruckner, sondern Dmitri Schostakowitschs Opus 70. Das HKPO ließ das Werk fröhlich sprühen, Jaap van Zweden entdeckte die innewohnende Ironie. Das Orchester wußte die reichen Soli (Piccolo: Linda Stuckey, Fagott: Benjamin Moermond) vielfarbig zu beleben. Selbst die immer wieder in die Marschklänge einbezogenen Trompeten waren zu einem Parlando fähig.
Mit der Zugabe kehrte das HKPO zu den Tänzen zurück: Nr. 8 aus den Slawischen Tänzen von Antonín Dvořák, der mit viel Blech und Schlagwerk allerdings einen leichten Jahrmarktscharakter hatte.
25. Februar 2024, Wolfram Quellmalz
Das nächste Sonderkonzert der DMF steht im Zeichen von Fortsetzung und Beginn gleichermaßen: am 9. Mai setzen Kent Nagano, Concerto Köln und das Dresdner Festspielorchester das »Ring«-Projekt fort. Richard Wagners »Die Walküre« ist gleichzeitig der unmittelbare Auftakt in die Festspielzeit (9. Mai bis 9. Juni).