Königsfanfaren

Mit dem Konzert in der Hofkirche schloß sich der erste »Ring« des Dresdner Orgelzyklus‘ 2024

Die Amtskollegen von Kreuz- und Frauenkirche sowie Olivier Latry als Gastorganist im Kulturpalast hatten bereits vorgelegt. Mit dem ersten Konzert an der Silbermann-Orgel in der Hofkirche (Kathedrale) gestern zog Domorganist Sebastian Freitag mit ihnen gleich. Und hatte dafür ein besonderes Programm zusammengestellt, denn weniger Musik der Silbermannzeit als romantische und neuzeitliche Funde präsentierte er seinem Publikum.

Mitunter ist es bedauerlich, wie wenig wir von Komponisten kennen oder wie oft sie auf einen winzigen Ausschnitt ihres Œuvres reduziert werden. Luigi Boccherini hat mitnichten nur das »Ladykillers«-Menuett geschrieben. Immerhin sind heute viele seiner Streichquintette Kammermusikfreunden geläufig – seinen Sinfonien kennenzulernen würde einmal lohnen. Ähnlich ist es mit Franz Schmidt: »Das Buch mit sieben Siegeln« kennen viele, manche noch die Oper »Notre Dame«, wobei schon hier das Kennen teils auf das Zwischenspiel als Wunschmusik reduziert bleibt. Dabei schrieb der Österreicher soviel mehr! Für die Orgel entstanden gar eine stattliche Reihe von Werken, darunter Variationen und Fuge über ein eigenes Thema (Königsfanfaren aus Fredigundis) D-Dur in zwei Fassungen. Vielleicht ist der 150. Geburtstag des Komponisten (im September) Anlaß genug, sein Werk tiefer zu durchschürfen? Sebastian Freitag versprach, einige von Franz Schmidts Orgelstücken in diesem Jahr zu spielen.

Die Erstbegegnung 2024 verlief erfreulich – die Variationen erwiesen sich weniger als Charakterstücke à la Schumann denn als Stimmungsbilder, deren viele sinfonisch geprägt sind. Die Fanfaren waren deutlich zu hören, teils glichen sie dem freudigen Schmettern von Turmbläsern oder als entsprächen sie den Fanfaren der beiden Engel oben auf dem Orgelgehäuse.

Der Komponist Rainer Lischka, Photo: © Konrad Behr

Eine ganz andere Begegnung gab es mit zwei Werken des Dresdner (aber in Zittau geborenen) Komponisten Rainer Lischka. Der war zum Vorgespräch anwesend und erzählte nicht nur, wie es zu den beiden Werken im Programm gekommen war, sondern erinnerte sich besonders in bezug auf seine Orgelwerke an die Zusammenarbeit mit Musikern, vor allem Organisten wie Hans Otto, Felix Friedrich oder Hansjürgen Scholze. Anekdotisches gehört selbstverständlich ebenso zu solchen Gesprächen – für seine Phantasie »Mitten wir im Leben sind« hatte Rainer Lischka ein Motiv aus dem Beatles-Song »Give peace a chance« verwendet und das Stück zunächst danach benannt. Die Motivanlehnung war korrekt, die Namensgleichheit durfte spätestens nach der Wende nicht mehr sein.

Das Werk bewies wie auch später Introduktion und Passacaglia über den Choral »Alle Menschen müssen sterben« (ebenfalls von Rainer Lischka) einen freizügigen, offenen, ja – luftigen Umgang mit Motiven (also ganz dem Sinn der Phantasie entsprechend). Beiden Stücken waren leichte Spiel- und Melodiemotive gemein, die sich über einen nicht minder spielerischen Baß sehr beweglich verbreiteten. Die Phantasie pflückte ihre Motivauswahl locker zusammen – wer meinte, »Give peace a chance« sei das zentrale Stücke und nur darauf wartete, wurde manchmal überrascht, denn das Thema versteckte sich auch einmal – um sogleich und unerwartet wieder aufzutauchen.

Introduktion und Passacaglia, wiewohl durch die Art theoretisch strikter festgelegt, erwiesen sich als nicht minder freizügig. Mit experimenteller Harmonik und expressiven Schüben näherte sich dem Choral.

Sebastian Freitag hatte in diesen drei Stücken sicher bereits seine Virtuosität unter Beweis gestellt, allerdings waren die gestalterischen Ausdrucksmittel wichtiger. Wem die traditionelle Formgestaltung lieber war, der kam mit Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung »Schmücke dich, oh liebe Seele« (BWV 654) und schließlich Felix Mendelssohns Präludium und Fuge d-Moll (Opus 37) auf seine Kosten. Wobei Bach nach soviel experimentellen Klängen fast schon einer gewissen Gefahr ausgesetzt war, zu gewohnt zu klingen. Um so mehr erfrischte Felix Mendelssohn, dem das Kunststück gelungen war, einerseits in Bach Vorbild und Orientierung zu finden, andererseits aber nicht epigonal zu werden.

29. Februar 2024, Wolfram Quellmalz

Im nächsten Konzert des Dresdner Orgelzyklus spielt Domorganistin Mahela Reichstatt (Schleswig) am kommenden Mittwoch in der Kreuzkirche (6. März, 20:00 Uhr, 19:19 Uhr Vorgespräch »Unter der Stehlampe«).

Photo: © Dompfarrer Norbert Büchner

Ein Besuch der Hofkirche lohnt auch wegen des Kirchenbaus an sich. Noch bis zum Gründonnerstag sind als Ausstellung »KRONEN + ZEUGEN … wie wertvoll Du bist« zur Fastenzeit Skulpturen von Ralf Knoblauch im Kirchenschiff zu sehen.

https://www.bistum-dresden-meissen.de/aktuelles/kronen-zeugen-wie-wertvoll-du-bist

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen: https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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