Liedernachmittag im Kraszewski-Museum
Das Haus in der Nordstraße war während der Jahre des Dresdner Exils von Józef Ignacy Kraszewski für einige Zeit Wohnstätte des Schriftstellers, der auch als Maler, Historiker und Komponist wirkte. Heute versteht sich das Kraszewski-Museum als Ort für den deutsch-polnischen Dialog und bietet viele vor allem literarische Veranstaltungsformate. In diesem Jahr, das durch den 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich geprägt ist, haben viele Programme einen dezidiert romantischen Bezug. In diesem Sinne gab es am Sonntag einen romantischen Liedernachmittag zu erleben.
Kooperierender Partner war der Ars Augusta e. V., der in Görlitz-Zgorzelec einen ähnlichen verbindenden Dialog zwischen den Nachbarstaaten Deutschland und Polen unterstützt wie das Kraszewski-Museum in Dresden. In der Vergangenheit waren seine Projekte auch schon in der Landeshauptstadt zu erleben, wie vor einigen Jahren die aufsehenerregende Aufführung von Antonio Lottis »Giove in arco« im Palais im Großen Garten. Neben Opernprojekten unterstützt Ars Augusta zum Beispiel einen Gesangwettbewerb (wieder im Mai), bei dessen letzter Austragung es der Bariton Jan Bukowski ins Finale geschafft hat. Am Sonntag gastierte er mit dem litauischen Pianisten Simonas Poška und Ausschnitten aus Franz Schuberts »Schwanengesang« sowie Liedern Stanisław Moniuszkos. Dabei blieb es literarisch, denn die vertonten Texte stammten von Dichtern wie Ludwig Rellstab (Schubert), Adam Mickiewicz oder Władysław Syrokomla (Moniuszko) und offenbarten – über die Liebe hinaus – manche Parallelen, trotz derer die Texte wie die Lieder individuell blieben: während Schubert und Rellstab offenbar ohne Wehmut »Abschied« (gleichnamiges Lied) nehmen und der Reiter auf dem Pferd munter durch die Tonarten schreitet (es klingt nach fröhlichem Aufbruch), scheint der »glückliche Krakauer Junge« (»Krakowiaczek« nach Edmund Wasilewski) zu Roß denn in einer Stadt zu Hause zu sein – beide bleiben sie dem Leben zugewandt.
Jan Bukowski und Simonas Poška forschten die Lieder temperamentvoll mit dem Feuer der Jugend aus. »Rauschender Strom, Brausender Wald« (Schuberts »Aufenthalt«) erfuhr so eine besondere Erregung, dem zuvor erklungenen »Ständchen« ging ein wenig das Leise der »leise flehenden« Lieder ab. Jan Bukowskis prächtiger Bariton hätte gut auf eine Opernbühne gepaßt, im Verlauf und bei den polnischen Liedern wurde er aber zunehmend geschmeidiger und erreichte bei Stanisław Moniuszkos »Pieśń wieczorna« (Abendlied nach Władysław Syrokomla) jene »klangvolle Stimme«, die der Text vorgibt.

Der Wechsel von Schubert zu Moniuszko war zunächst deutlich ausgefallen, nicht nur mit schwereren slawischen Vokalen, sondern wegen zweier deutlich von Melancholie geprägter Lieder nach Jan Kochanowski, die den Verlust der »schönen Ursula« bzw. der »fröhlichen Sängerin« betrauerten.
Mit der Zugabe, Tschaikowskis »Inmitten des Balls« (Text: Alexej Tolstoi) wurde es mystisch – das »liebe, sinnende Antlitz« ist von einem Geheimnis umgeben, das Herz verlor der Sänger trotzdem.
Das Jahresprogramm des Kraszewski-Museums bietet viele Vorträge, Lesungen und sogar Wanderungen. Das nächste Konzert gibt es am 14. April mit Werken, die Józef Ignacy Kraszewski besonders geschätzt hat.
26. Februar 2024, Wolfram Quellmalz