Kammerabend der Staatskapelle zeigt zwei andere Seiten von Strauss und Reger
Der Kammerabend am Donnerstag in der Semperoper war schon vorab positiv »gezeichnet«, denn das zu den Richard-Strauss-Tagen gehörende Konzert war bis in den vierten Rang nahezu ausverkauft. Astrid von Brück, Soloharfenistin der Sächsischen Staatskapelle und für die Kammermusikreihe mitverantwortlich, begrüßte sehr erfreut die große Gemeinde und bat vorab um Applaus nur an den passenden Stellen – ein kleiner, aber wirkungsvoller Hinweis!
So konnte man drei Werke genießen, deren erste vor allem kaum einmal zu hören sind: Zwei frühe Kompositionen Richard Strauss‘, Jugendwerke im Grunde sind seine Violoncellosonate F-Dur und das Lied »Alphorn« (Opus 15 Nr. 3) in der launigen Besetzung Sopran, Horn und Klavier. Mag dem letzteren der Familienanlaß (Strauss schrieb es für seinen Vater, einen berühmten Solohornisten der Königlich Bayerischen Hofkapelle) anzumerken sein – in beidem erkennt man vieles, was den späteren Strauss nicht nur prägte, sondern unnachahmlich ausmacht.
Zum Beispiel eine Kantabilität, die auch beim Cello mitschwingt. Der Anfang erinnert noch an Romantiker wie Schumann oder Klughardt, doch spätestens am ersten Ruhepunkt ist klar: das schrieb ein anderer! Und der offenbarte schon in der Cellosonate nicht wenig Oper, denn das Violoncello (Norbert Anger) steigert sich vom Lied bis in aufregende Arien, während das Klavier (Michael Schöch) oftmals eine weniger pianistische Rolle als die eines Repetitors, der das ganze Orchester darstellt, spielte. Das beglückende war, daß die beiden Musiker nicht nur ohne Mißverständnis einander folgten und eine erfrischende Emotionalität in Töne gossen, sie vermochten dies in buchstäblich jeder Lage, also nicht nur im aufgeregtesten, blühendsten Tremolo, sondern noch (oder gerade) im feinsten Pianissimo. Die Formen der leisen Töne und Betonungen, das Piano in all seinen Schichten, es sollte am Abend immer wiederkehren und seine noble, gediegene Note unterstreichen.
So rutschte auch das »Alphorn« mit Katerina von Bennigsen (Sopran) und Zoltán Mácsai (Horn) nicht in eine Klischee- oder Kalauerecke, sondern bewahrte bei allen herzigen Alphornimitationen seine musikalische und musikantische Ernsthaftigkeit. Wiederum galt: Strauss‘ Lied war nicht nur Lied, sondern eine kleine Szene, die hier aufgeführt wurde!
Mit der Pause stellte sich ein spürbarer Zeitsprung ein, denn wiewohl Strauss und Reger Zeitgenossen waren, entstand Max Regers Klarinettenquintett A-Dur (Opus 146) um einiges später als die zuerst gehörten Werke – der Komponist war seiner Jungend entflohen und längst etabliert, hatte bereits einiges an Kammermusik geschrieben. Mit Robert Oberaigner (Klarinette) und dem Fritz Busch Quartett (Federico Kasik und Tibor Gyenge / Violine, Michael Horwath / Viola und Titus Maack / Violoncello) schienen nach Strauss‘ wohlgefälliger Familienharmonie die Stimmen zunächst eine gemeinsame Sprache zu suchen, denn Reger läßt sie (harmonisch) individuell beginnen, fügte sie aber bald zu einem flexiblen Korpus. Und der blieb lebhaft mit seinen Dialogen und Beziehungen – die Klarinette konnte ebenso mit einem der Streicher gegenüber parlieren wie mit dem Violoncello in Baßlage verschmelzen. Das Gleichgewicht wurde immer wieder leicht verschoben, fand sein Zentrum mal bei den drei hohen Streichern, dann wieder in der Klarinette. Eindeutig kammermusikalisch und nicht opernhaft, aber gleichermaßen emotional durchglüht wie Strauss geriet die Sprache der Ecksätze, im Zentrum standen ein ungemein federleichtes Vivace und ein anmutiges Largo – einer der Punkte, wo sich die Ruhe im Publikum und die Piani der Musiker ergänzend trafen.
5. April 2024, Wolfram Quellmalz

CD-Tip: Robert Oberaigner, Fritz Busch Quartett, Klarinettenquintette von Johannes Brahms und Max Reger, erschienen bei MDG