Juliane Laake und Maximilian Ehrhardt erzählten im Schloß Reinhardtsgrimma »Von Liebe und Finsternis«
Am Sonnabend begann die diesjährige Reihe der Schloßkonzerte in Reinhardtsgrimma. Dort, wo meist, wenn auch nicht immer, Kammermusik der Klassik und Romantik zu hören ist und schon öfter ein Cembalo erklang, gab es diesmal Musik des frühen 17. teilweise noch 16. Jahrhunderts. »Viola appassionata«, so der Untertitel des Konzerts, erzählte vor allem italienische Madrigale nach, die ursprünglich mit einem Text versehen waren. Die zeitgenössischen Bearbeitungen verschleierten manche pikante oder erotische Nuance, milderten sie dennoch nicht – die Musik hatte sich vom Korsett der strikten Form befreit und war erstmals expressiv geworden. Was Juliane Laake in ihren kleinen Moderationen erklärte, war in der folgenden Musik deutlich zu spüren.
Die Gambistin und ihr musikalischer Partner Maximilian Ehrhardt (Harfe) – beide waren das erste Mal im Schloß Reinhardtsgrimma zu Gast – fanden in dieser Expression eine feine Zier, welche die emotionale Regung, Details und eine filigrane Kontur beibehielt – Musik wie ein Bilderschmuck, aber ohne unnötigen Zierrat, übertriebene Affekte oder übermäßige Ausbrüche. Vielmehr präsentierten sich beide Spieler bzw. Instrumente als Verkörperung zweier Stimmen, die einem Lied (Madrigal) gleich mit Begleitung sangen oder sich in einen »Dialog auf Ohrenhöhe« begaben. Die feine Zier, die in Proportionen und Maß ausgewogene Form, kam nicht von ungefähr, schließlich waren Madrigale nicht nur Vertonungen, sondern Entsprechungen besonders lyrischer Texte.
Neben Werken bekannter Komponisten wie Diego Ortiz, Girolamo Frescobaldi oder Andrea Falconieri gab es auch Stücke von Girolamo Dalla Casa, Sylvestro Ganassi oder Adam Jarzebsky zu hören. Die wortsinnige Lyrik war durch geradezu sprechende Stimmen ersetzt: sanft argumentierend der Harfe, liebreizend bis melancholisch schmeichelnd der Gambe – doch beide Instrumente (oder vielmehr drei, denn Juliane Laake wechselte auch zur kleinen Diskantgambe) waren in ihrer Rolle nicht festgelegt, so daß jedes von ihnen vordergründig spielen oder beide gleichwertig nebeneinander auftreten konnten. Gambe und Harfe tauschen die Rollen ebenso in den auch ursprünglich instrumentalen Stücken, wobei die Gambe an Intimität, an Durchdringlichkeit noch gewann, während die Harfe ihren perlenden Ton bis in die Region eines Glockenspiels steigern konnte. Die Werke, wie eine Toccata ottava von Girolamo Frescobaldi oder ein Recercada seconda von Sylvestro Ganassi, verrieten eine große Freiheit – trotz manch grundlegender, scheinbar festgefügter Form (wie eben der Toccata). Giovanni Maria Trabacis Ancidetemi pur glich gar einem Préludium mit Phantasie!
Die im Programm angekündigte Virtuosität trat daher gegenüber dem erzählerischen, oft tänzerischen Reigen gar nicht so sehr in den Vordergrund – erst die Zugabe, eine Ciacona von Tomaso Antonio Vitali, sollte dies aufs köstlichste vorführen. Das in kleinen Blöcken gebundene Bukett des Konzerts gewann durch seine Vielfalt und die gute Zusammenstellung, die vom Erzählen Amors Grausamkeit bis zur Episode der Susanna (im Bade) reichte.
14. April 2024, Wolfram Quellmalz
Im nächsten Konzert präsentiert das Kronen-Quartett höchst romantische Streichquartette (25. Mai). Im Schloß gibt es derzeit außerdem eine gastrosophische Ausstellung zu sehen – sie erinnert an den in Reinhardtsgrimma geborenen Carl Friedrich von Rumohr und ist die (vorerst?) letzte von Thomas Kitt zusammengestellte Schau. Der Agraringenieur, der am Ort auch Weiterbildungen koordinierte, ist mittlerweile pensioniert. Bleibt zu hoffen, daß er die Ausstellungsreihe im Schloß weiter betreuen wird.

Mehr zu Gastrosophie, zur Entwicklung der Europäischen Küche und auch zu Carl Friedrich von Rumohr finden Sie in Erwin Seitz‘ Buch »Butter, Huhn und Petersilie. Anregungen für eine bessere Küche«, erschienen bei Suhrkamp
http://www.reinhardtsgrimma.hiller-musik.de/programmschloss21.html