Orgelkonzert zum Gedenken an Samuel Kummer
Am Mittwoch hatte sich der Dresdner Orgelzyklus mit seinem Programm ursprünglich dem Frühling zuwenden wollen. Doch nach dem plötzlichen Tod von Samuel Kummer zwei Wochen zuvor fanden sich statt dessen Lehrer und Kollegen des früheren Frauenkirchenorganisten zusammen, um ein Konzert zum Gedenken von Samuel Kummer in der Kreuzkirche zu spielen. Claus Fischer (unter anderem Orgelmagazin beim MDR) moderierte.
Begonnen hatte der Tag mit einem Trauergottesdienst in der Christuskirche Strehlen, wo die Familie sowie zahlreiche Freunde Abschied nehmen konnten. Immer wieder wurde des sensiblen und kreativen Künstlers, des phantasievollen, feinsinnigen und begeisterungsfähigen Menschen Samuel Kummer gedacht. Und natürlich seines so plötzlichen, viel zu frühen Todes. Seine Ehefrau Irena Renata Budryte-Kummer hatte mit Bezug auf die Blüten, an denen sich beide gerade noch während eines Spazierganges erfreut hatten, mit »fallenden Blüten weinen mit uns« ein tröstliches Bild gefunden.

So sehr die Erinnerungen sich in vielem einig waren, konnten sie dennoch nicht alles ausdrücken. Zumindest Samuel Kummers Musikalität und künstlerische Zugewandtheit fanden aber besonderen Ausdruck in der Musik. Benno Scheerbarth, ein Student der Hochschule für Kirchenmusik Dresden, hatte seiner Betroffenheit über Samuel Kummers Tod in einem Satz über »Bleib bei mir, Herr« Ausdruck verliehen, der als Geleit im Portal der Christuskirche zum Auszug erklang – ein wunderbarer, würdevoller Abschied!
Im Abendprogramm des Orgelkonzerts zeigten Texte, vor allem aus Chorälen und Psalmen, aber auch aus Johannes Brahms‘ Deutschem Requiem, immer wieder, daß bei Samuel Kummer Glauben und Texte tief verwurzelt und innig mit der Musik verbunden waren. Mit Christoph Bossert und Ludger Lohmann gehörten zwei seiner Lehrer (Christoph Bossert hatte den fünfzehnjährigen bis zu dessen Abitur unterrichtet) zu den Ausführenden, außerdem spielten Kreuzorganist Holger Gehring, Domorganist Sebastian Freitag sowie Thomas Lennartz und Martin Strohhäcker. Die vier Kollegen hatte Samuel Kummer nach seinem Amtsantritt an der Frauenkirche 2005 kennengelernt.
Das Werk Johann Sebastian Bachs war mehr als nur ein Schwerpunkt in Samuel Kummers Orgelliteratur. Noch in eigenen Bearbeitungen hatte er Bachs Methodik aufgegriffen und als Ausgangspunkt genutzt. Die sagenhaften Improvisationen Samuel Kummers sind nun verloren (er selbst hat sie, wenn er nach den Noten dafür gefragt wurde, als »Geschenk für den Moment« bezeichnet). Erhalten blieben seine niedergeschriebenen Kompositionen, wie die 2016 entstandene Toccata »Christ lag in Todesbanden«, in der sich Choral, moderne Klangfarben und eine improvisatorische Freizügigkeit trafen (gespielt von Martin Strohhäcker). Christoph Bossert hatte zuvor die Choralbearbeitung »Mit Fried und Freud ich fahr dahin« (2017) gespielt, Holger Gehring erinnerte mit der Orgelbearbeitung zu »Wie lieblich sind deine Wohnungen« (Deutsches Requiem) an den Kollegen. Samuel Kummer hatte das Stück 2005 extra für jene Termine angefertigt, als der enorme Besucherstrom in der wiedererrichteten Frauenkirche mit Zeitkarten bewältigt werden mußte. Für sein Anliegen, aus dem kurzen Augenblick einen Moment wachsen zu lassen, der den Raum mit dem Klang der Orgel verbindet, hatte er sich ein Werk und einen Text ausgesucht, die ihm besonders am Herzen lagen.
Ludger Lohmann hatte das Konzert mit Johann Sebastian Bachs Praeludium et Fuga h-Moll (BWV 544) eröffnet, in dem aus den Farben der Passion eine schier unglaubliche Kraft wuchs. In vielen der Stücke fand sich außerdem Musik wieder, welche die so oft genannte Feinsinnigkeit des Menschen Samuel Kummer spiegelten, wie in Bachs »Schmücke dich, oh liebe Seele« (BWV 654, Holger Gehring).
Andere standen für die prächtige, kunstvolle Majestät der Orgel, wie die Fantasia g-Moll (BWV 542, ebenfalls Holger Gehring) oder die von Sebastian Freitag präsentierten Variationen, in denen Franz Liszt die Kantate »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen sind des Christen Tränenbrot« mit dem Crucifixus der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach virtuos zusammengeführt hat. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte Sebastian Freitag Samuel Kummer als einen offenherzigen, zugänglichen Kollegen und Unterstützer kennengelernt.
Thomas Lennartz näherte sich dem Freund mit einer Improvisation über »Ach Herr, laß dein lieb‘ Engelein«. Noch einmal ein Choral also, in dem nach Liszts absteigenden Intervallen ein Aufstieg begann, der das Wasser (Quell des Lebens) einzuschließen und bis an die Sterne zu reichen schien.
9. Mai 2024, Wolfram Quellmalz
Im Orgelzyklus am nächsten Mittwoch spielt Sebastian Freitag an der Jehmlich-Orgel der Kreuzkirche.
CD-Tip: Johann Sebastian Bach »Die Kunst der Fuge« (BWV 1080) für Orgel, Samuel Kummer, Zacharias Hildebrandt-Orgel Wenzelskirche Naumburg, 2 SACDs, erschienen bei Aeolus