Klangbegegnung

Dirigent Christoph Koncz und Tubist Constantin Hartwig führten beim Aufführungsabend Tradition und Entwicklung sinnig zusammen

Der Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle am Dienstag in der Semperoper versprach schon dem Programm nach Überraschungspotential, offenbarte dasselbe aber bereits im Klang in Ludwig van Beethovens »Leonoren«-Ouvertüre Nr. 3 (Opus 72b). Denn trotz relativ schlanker Orchesterbesetzung, der heutzutage gängigen Einflüsse historischer Aufführungspraxis auch in modernen Sinfonieorchestern und eines noch jungen Alters des Dirigenten bevorzugt Christoph Koncz offenbar einen kompakten, dichten Klang. Vielleicht, weil er als langjähriger Stimmführer der Zweiten Violinen bei den Wiener Philharmonikern so geprägt worden ist? Offenbar versteht er es aber, seine Klangvorstellungen zu vermitteln, und die Staatskapelle kam dem nach, konnte auch einmal »anders« klingen, ohne jedoch ihren Charakter zu verlieren. Ebensowenig verloren Piani oder Soli in diesem dichten Sog an Aussagekraft. Nicht pure Wucht also war das Überzeugungsargument, sondern Klangkraft, die eine große Vitalität barg, Flötensolo und Hörnermotive inclusive! Effektvoll (aber doch recht wuchtig) setzte Christoph Koncz das Schlagwerk in Szene, wobei er diese Ouvertüre durchaus szenisch in dem Sinne dachte, daß er Beethovens »Fidelio«, für den das Stück schließlich geschrieben war, gedanklich immer einbezog. Dazu paßte, daß die Solotrompete (in der Oper das Signal der Befreiung) aus dem obersten Rang erschallen ließ.

Dirigent Christoph Koncz und Tubist Constantin Hartwig mit der Sächsischen Staatskapelle, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Mit dem Konzert für Tuba und Streichorchester von Arild Plau standen danach das Instrument des Jahres und mit Constantin Hartwig ein junges Orchestermitglied im Mittelpunkt. Was zunächst als ungewöhnliche Kombination schien oder zumindest für einen ungewöhnlichen Solisten stand (selbst Konzerte für Kontrabaß und Orchester kennt man mehr), erwies sich als sehr verträglich und beinahe unspektakulär (zumindest mit Werken à la Konzert für Violoncello und Blasorchester von Friedrich Gulda). Das gab Gelegenheit, zu erfahren, war Klangformung und Eleganz ausmachen – sind das nun die wahren Tugenden oder doch die Virtuosität? Mit einem seidig, wie ein »Ach ja« klingenden Akkord begann das Werk, das immer wieder gerade die saubere Artikulation in fast rezitativischen Passagen und eine quasi romantische Phrasierung von Constantin Hartwig vorführte – superb! Das Stück selbst blieb jedoch, vor allem im langsamen Satz, etwas schlicht. Zwar verband es Ansprüche in Ausdruck (Kantabilität) und Technik seitens des Solisten, in Sachen Motivik, Entwicklung oder Verlauf enthielt es kaum Überraschungen. Hatte jemand mehr erwartet? Wenn ja, dann bekam er davon reichlich als Zugabe serviert, denn dafür hatte Constantin Hartwig nichts weniger als ein Beatles-Stück ausgewählt, »Blackbird« von Paul McCartney. In der Bearbeitung amalgamierten Pop, Jazz und Rock mit fast tanzbaren Swing-Rhythmen. Übrigens hat er dieses schon einmal zu einem der Semper:Donnerstage gespielt. Damals, vor zwei Jahren, war er noch Akademist. Der Auftritt wurde als online-Alternative mitgeschnitten und ist heute auf YouTube zu finden.

Mit Robert Schumanns zweiter Sinfonie (C-Dur, Opus 61) gab es nach der Pause noch ein Dresdner Stück, nachdem der Abend im Heimatort des Dirigenten (Wien) begonnen hatte. Noch einmal konnte man die besondere Klanggestaltung verfolgen, etwa, wie sich im ersten Satz die Charakterwechsel vom beginnenden Sostenuto assai bis zum Allegro mit seinem beherzten Schluß vollzogen. Der dichte, strömende Klang, der (im Gegensatz zur historischen Aufführungspraxis) scharfe Konturen eher vermeidet, vielmehr für weiche Übergänge sorgte, verlor dabei um kein Jota Klarheit oder Struktur. Das Scherzo entwickelte derart einen kraftvollen Sog, während das folgende Adagio fast zu schweben schien, aber auch starke dynamische Veränderungen vollzog. Es blieb bei dem Eindruck eines Orchesters als geschlossenem Korpus, aus dem immer wieder Solostimmen (Flöte, Klarinette) hervortraten.

Das Allegro molto vivace nahm Christoph Koncz sozusagen mit Anlauf – die Staatskapelle offenbarte ihr mitreißendes Temperament.

8. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

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