Gedenkkonzert für Andreas Baumann
Es war eines jener Konzerte bzw. Veranstaltungsformate, das pandemiebedingt mehrfach verschoben werden mußte und erst jetzt nachgeholt werden konnte: Unter dem Titel »Kontinuität und Leidenschaft« erinnerten sich Freunde, Weggefährten und Kollegen an den Intendanten und Hochschullehrer, Prorektor […] und Ehrensenator der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden Professor Andreas Baumann. Im Konzertsaal der Musikhochschule, der unter anderem ein wichtiger Schauplatz oder vielmehr Spielort der von ihm ins Leben gerufenen Dresdner Meisterkurse Musik war, versammelten sich am 5. Mai Milko Kersten, Susanne Knapp Christian Kluttig, Katja Erfurth und viele mehr für ein gemeinsames Erinnern.

Milko Kersten (Präsident des Sächsischen Musikrates) erinnerte sich an seine Anfänge an der HfM, als kurz nach der Wende die Opernklasse ins Leben gerufen wurde. Die damalige Produktion (»Il nozze di Figaro«) war ein Anfangspunkt für ihn und weit mehr als eine Initialzündung. Seither gab es jährlich mindestens eine große Operninszenierung, außerdem kleine Workshops und ähnliches. Die NMB haben seit 2007 die meisten begleitet und jene aus der Amtszeit Andreas Baumanns in bester Erinnerung. Auch in fremder Regie (Axel Köhler: Monteverdis »Die Krönung der Poppea«) profitierten diese Inszenierungen vom Geist Andreas Baumanns, der einen Weg aufzeigen, anleiten konnte, Freiräume schuf, andere das in sie gesetzte Vertrauen spüren ließ. Egal ob Glucks »Orpheus und Eurydike«, eine der immer wiederkehrenden Mozartopern oder (zum Abschluß) Verdis »Falstaff« (2013) – stets gelangen anregende Umsetzungen, die szenisch und musikalisch weit mehr boten, als man von Studienprojekten erwarten würde. Ein Höhepunkt aus Sicht der NMB war Brittens »Turn of the Screw« (2010).

Hinter dem Vorgehen, nicht den »Boss raushängen« zu lassen (Gun-Brit Barkmin), verbarg sich mehr als nur die Methode eines Hochschullehrers. Es war Andreas Baumann grundsätzliche Arbeitsweise, von der vor allem jene Wegbegleiter erzählten, die ihn als Intendanten an der Oper Halle erlebt oder mit ihm gearbeitet hatten. Dieses »Bild« ist geblieben, auch nach der langen Unterbrechung durch die Pandemie ist die Opernklasse heute noch (oder wieder) von vielem geprägt, was die Ära Baumann auszeichnete: Offenheit und eine Diskussion auf Augenhöhe nannte die aktuelle Opernklassenleiterin Susanne Knapp als wesentlich.

Mit Bildern und Ausschnitten war es nicht zuletzt ein interessanter, aber wenig wehmütiger Rückblick. Händel spielte nicht nur damals in Halle eine große Rolle, sondern auch immer wieder im damals noch zum Opernhaus gehörenden Goethe-Theater Bad Lauchstädt.
Musikalisch waren diese Rückblicke mit Ausschnitten aus Peter Tschaikowskis »Eugen Onegin« (unter anderem Briefszene mit Paulina Bielarczyk) ergänzt. Gun-Brit Barkmin sorgte mit »Es gibt ein Reich« (aus Strauss‘ »Ariadne auf Naxos«) für einen echten Gänsehautmoment, schien doch ein Stück Erinnerung plötzlich wieder szenisch aufzuleben. Katja Erfurth ergänzte die dranmaturgische Vielfalt, die zu Andreas Baumanns Leben gehört hatte, mit Ausdruckstanz (Schostakowitsch: Lento aus dem ersten Klavierkonzert).

Mit einem Ausschnitt aus der aktuellen Produktion der Opernklasse, »La finta giardiniera«, gehörte aber auch ein Verweis auf die Fortführung und mit dem Fortbestand ein Ausblick in die Zukunft zum Gedenkkonzert. Was Andreas Baumann wohl zur aktuellen Opernlasse sagen würde?
Mai 2024, Wolfram Quellmalz