Böhmische Musikanten

Tschechische Philharmonie mit Smetana zum Abschluß der Dresdner Musikfestspiele

Schon ein paar Stunden vor dem Abschlußkonzert am Sonntagabend kam die Erfolgsmeldung: 65.000 Besucher, eine Auslastungsquote von 93 Prozent und Einnahmen aus Kartenverkäufen von über zwei Millionen Euro – ein Rekordjahrgang der Dresdner Musikfestspiele. Für den letzten Abend noch wichtiger als diese Auswertung war aber das Konzert mit der Tschechischen Philharmonie unter der Leitung von Jakub Hrůša. Daß sich das Programm ganz auf einen Komponisten besann, war vor allem deshalb schön, weil es zum regionalen Kern eines musikalischen Miteinanders zwischen Sachsen und Böhmen führte, der seit Jahrhunderten besteht.

Die Musik Bedřich Smetanas ist uns wohlvertraut. Zumindest »Die verkaufte Braut« und »Die Moldau«, Kammermusikfreunde kennen das erste Streichquartett »Aus meinem Leben«. Darüber hinaus gibt es jedoch noch zahlreiche Werke zu entdecken, und auch über das Leben des Komponisten wissen wir durchaus noch nicht alles. Dabei gibt es manche Parallele, die wir von anderen kennen – wie Beethoven ertaubte Smetana in späteren Jahren, und die Spekulationen um seine geistige Verfassung und seine letzten Werke erinnern in manchem an Robert Schumann.

Doch weniger um biographische Fakten zu überprüfen als für eine musikalische Annäherung war das Abschlußkonzert der Dresdner Musikfestspiele eine willkommene Gelegenheit. Immerhin acht Werke ausschließlich dieses eines Komponisten, und eben nicht von Beethoven – der Kulturpalast war noch einmal ausverkauft. Was ist der Grund, daß wir Smetanas oder generell die böhmische Musik so mögen? Es sei wohl das musikantische in ihr, vermutete Dirigent Jakub Hrůša, und hatte damit zweifellos recht.

Tschechische Philharmonie, Jan Mráček (Violine), Jakub Hrůša (Leitung), Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

Auf der Erwartungsseite standen also einmal Werke, die sonst nicht so oft zu hören sind, aber auch eine besonders inspirierende Interpretation derer, die man gut kennt. Und in beidem wurden Hrůša und die Tschechischen Philharmoniker den Erwartungen gerecht. Mehr als das sorgten sie am letzten Abend noch einmal für jenes Quentchen Begeisterungszuschuß, das man sich bei Musikfesten wünscht.

Die Ouvertüre zur »Verkauften Braut« und »Die Moldau«, welche den Abend rahmten, boten mehr als den erhofften musikantischen Zugewinn. Denn schon für die Ouvertüre zeigte Jakub Hrůša, wie sich Themen aus den zweiten Violinen durch die Instrumentengruppen entwickeln können. Der Ausschnitt aus der Sinfonischen Dichtung »Mein Vaterland« wiederum erhielt unverkennbar einen dramaturgischen Verlauf über die Illustration des Flusses hinaus, und ließ nicht zuletzt die Blechbläser formidabel glänzen.

Abschluss – Konzert der Dresdner Musikfestspiele mit Tschechische Philharmonie unter Dirigent Jakub Hrusa am 09.06.2024 im Kulturpalast . Foto: Oliver Killig

Mit der »Jiřinková Polka« und der Grand-Ouvertüre in D-Dur war in der ersten Programmhälfte fast ein wenig Neujahrskonzertstimmung aufgekommen, doch mit dem ersten Satz aus dem oben genannten Quartett sorgten die Stimmführer (Jan Fišer und Petra Brabcová / Violine, Eva Krestová / Viola und Václav Petr / Violoncello) für einen besonderen Fokus und weiteten den Kosmos Smetanas. Denn der war nicht nur ein Komponist heiterer Opern mit einem Hang zu Tanz und Ballett, sondern ein leidenschaftlicher Kammermusiker und Sinfoniker. Im Quartett wurde ein slawisches Melos ebenso offenbar wie sich ein freudiger Rhythmus seinen Weg bahnte. Mit der Sinfonischen Dichtung »Hakon Jarl« stand noch vor der Pause ein Werk auf dem Programm, das vielen unbekannt gewesen sein dürfte und das sinfonische Erzählen mit choralähnlichen Passagen verband.

Vom tatsächlich oft heiteren Schaffen Smetanas erzählte im zweiten Teil die Ouvertüre zu »Zwei Witwen«, bevor es mit dem zweiten Duett (Andantino) aus »Z domoviny« (»Aus der Heimat«) in der Bearbeitung für Violine und Orchester (Original: Klavier) einen konzertanten Leckerbissen gab. Jan Mráček ließ seine Violine süffig und reich, spielfreudig und lyrisch klingen – eine Caprice mit gesanglichem Charakter.

Der »Prager Karneval«, ein Werk »von den letzten Dingen« (Hrůša), sollte der Anfang eines Zyklus‘ werden. Bedřich Smetana konnte ihn nicht mehr vollenden. Harmonisch ging der Komponist bereits weit in die Zukunft – als sein letzter Beitrag sollte das Werk so wenig übergangen werden wie Schumanns »Geister-Variationen«!

Mit der berauschend böhmischen »Moldau« wollte sich das Publikum nicht zufriedengeben und bekam als Zugabe noch den »Tanz der Komödianten« aus der »Verkauften Braut«.

10. Juni 2024, Wolfram Quellmalz

Wer bis zu den nächste Dresdner Musikfestspielen oder den Sonderkonzerten im September nicht warten mag, kann in den nächsten Tagen viel nachhören: MDR Kultur und MDR Klassik sowie das ARD Radiofestival haben schon in den nächsten Tagen eine ganze Reihe von Konzertaufzeichnungen im Programm.

CD-Tips mit Jan Mráček: Anton Kraft, Trois Grands Duos concertants (mit Jiří Hošek / Violoncello), Antonin Dvorak, Violinkonzert Opus 53, Romanze Opus 11, Mazurka Opus 49 und anderes, Tschechisches National-Sinfonieorchester, James Judd (Dirigent), erschienen bei Onyx

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