Ergötzlichkeiten

Frühklassische Kammermusik mit neuen, alten Funden

Immer wieder sind wir in den vergangenen Jahren in Konzerten Constanze Walzer und ihren Ensembles, wie Con brio, begegnet. Hobbymusikerin? Zwar mag sie einem anderen Hauptberuf nachgehen, ihr Engagement bei der Kammermusik auf alten Instrumenten beweist jede Menge Kennerschaft und Hingabe. Am Wochenende war es wieder so – nach intensiven Proben unter fachfraulicher Anleitung und Beratung von Adela Drechsel gab es am Sonnabend (Bethlehemkirche Dresden-Tolkewitz) und Sonntag (Volkshaus Dresden-Laubegast) unerhörte Musik des 18. Jahrhunderts zu entdecken.

Diesmal nicht in geschlossener Formation zu dritt oder viert, hatten sich Christiane Schmidbauer (Traversflöte), Peter Haischer (Oboen), Christoph Müller (Barockfagott), Asmus Winter (Barockvioloncello) und Harald Schäfer an einem wunderschön und reich klingenden Virginal um Constanze Walzer versammelt. Manche von ihnen waren schon bei den vergangen Projekten dabei, ihr Instrumentarium erwies sich nicht nur durch verschiedene Ausführungen (Barockoboe und Oboe d‘amore) sowie das selten zu hörende Virginal flexibel, sondern auch in Besetzung und Stücken. Denn diesmal stand – wie der Titel schon sagt – einmal nicht Barock im Mittelpunkt. Zumindest nicht allein, denn die Formen wandelten sich gerade im 18. Jahrhundert, suchten neue Formen.

Schatzsuche lohnt: »Jim Hawkins und der Schatz«, Illustration von George Roux (1850 bis 1929) zu Robert Louis Stevensons »Die Schatzinsel« (Ausgabe von 1885)

Das (emsige) Suchen nach Noten gehört ebenso zu den Konzerten bzw. zu den Vorbereitungen, denn es ist den Musikern ein Anliegen, unbekanntes zutage zu fördern, das zu schade wäre, als daß es nur in den Archiven schlummerte. Das sollte man nicht vergessen (und die nächste Konzertmöglichkeit nicht verpassen): solche »Umtriebe« sind es sowie die mühevolle und akribische Tätigkeit vieler Musikwissenschaftler, die es manchen Klassikstars erlauben, später eine »Weltersteinspielung« auf CD zu präsentieren. Oftmals ist die Quellenlage zunächst unklar oder völlig offen.

Johann Gottlieb Janitzsch immerhin waren wir in den bisherigen Konzerten schon begegnet. Er hatte einst auf Schloß Rheinsberg »Freitagsakademien« ins Leben gerufen und damit ein bürgerliches Musikleben angeregt. Eine Sonata da camera C-Dur erweckte mit einem charmanten Andante am Sonntagmorgen das Musikleben im noch verschlafen ruhenden Laubegast – bei der Anreise durch die bereits trubelige Innenstadt fiel deutlich auf, daß hier sogar die Schmetterlinge offenbar leiser flatterten.

Man könnte sich gut vorstellen, wie es im 18. Jahrhundert vielleicht gerade hier, in Laubegast, ringsum geklungen hat, als Virginal oder Spinett noch häufiger in den Häusern zu finden waren. Vielleicht hat damals schon jemand ein Quartett in d-Moll von »Fortunato Riedel« gespielt? Heute gehören seine Noten zum Bestand der Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), wer der Mann war oder ob er wirklich so geheißen hat (war es ein Künstlerpseudonym?), ist dagegen unklar.

Noch »ärger« traf es ein ergötzliches Concerto in A-Dur. Wir wissen: es gehört zu einer Ausgabe von sechs Concerti, deren Noten in Uppsala liegen. Nichts Genaueres weiß man nicht, indes – die Noten genügen ja (meist) zur Aufführung. In diesem Fall gab das Concerto Gelegenheit, einmal die besondere Gesanglichkeit der Oboe d’amore herauszustellen, wobei Flöte und Violine zart sekundierten.

Die musikalische Lebhaftigkeit war gerade in den Duos und Trios zu finden, in denen meist Flöte, Oboe und Violine zusammentrafen. Und die drängten sich manchmal deutlich vor, wenn der Komponist den Basso continuo kurz völlig schweigen ließ, wie im anonymen Concerto oder beim Weimarer Ernst Wilhelm Wolf, der (mit eigener Stimme für das Fagott, das den Basso continuo dafür verließ) den Ecksätzen seines Quartetto G-Dur den Witz eines Papageno-und-Papagena-Duetts einverleibt hatte. Mag er heute wenig bekannt sein, hatte sich der Komponist durchaus der frühklassischen Formensprache zugewandt bis hin zum öffnenden Schlußakkord, wie ihn auch Mozart oder Haydn in schönster Manier verwendet haben.

Ob also nun bekannte, bedeutende Komponisten, Werke unsicherer Provenienz oder uneindeutige Fundstücke – es lohnt immer, sich auf die Suche zu machen. Wie sonst hätte sich die Oboe so schön ins Duett von Flöte und Violine mischen können wie bei Johann Martin Diemmings Concerto à 4?

1. Juli 2024, Wolfram Quellmalz

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