Internationale Orgelwochen mit einheimischem Gast

Mari Fukumoto übernahm Konzert in der Frauenkirche

Ursprünglich hatte Sophie-Véronique Cauchefer-Choplin für den Orgel-Zyklus am Mittwoch auf dem Programm gestanden. Sie ist Titularorganistin an der geschichtsträchtigen Kirche St-Sulpice de Paris, wo Charles-Marie Widor tätig war und bis vor kurzem Daniel Roth, der nach wie vor als Titulaire Emerité mindestens einmal im Monat in der Konzertreihe »Audition« zu erleben ist. Sophie-Véronique Cauchefer-Choplin wollte ausschließlich improvisieren – auf »La création«, so der Konzerttitel, hatten sich sicher viele Orgelfreunde gefreut. Krankheitsbedingt mußte sie jedoch kurzfristig absagen und wir hoffen, das Konzert wird alsbald nachgeholt.

Mari Fukumoto, Photo: © Sonja Werner

Schnell einen Ersatz zu finden, ist sicher nicht leicht, und zumindest nominell gelang dies auch »international« (für die Internationalen Dresdner Orgelwochen des Sommers). Mari Fukumoto, in Japan geboren, ist aber längst in Deutschland zu Hause, in Berlin ebenso wie in Weimar und Dresden, denn an der Frauenkirche war sie schon oft im regulären Dienst oder als Einspringerin zu erleben.

»Licht und Tag« hatte sie ihr Programm übertitelt und für ihr Konzert zwei Jubilare ausgewählt: einerseits den Heinrich-Schütz-Schüler Matthias Weckmann (350. Todestag), andererseits Charles-Marie Widor (180. Geburtstag). Ein Hauch St-Sulpice blieb also erhalten. Zudem durfte man erwarten, daß Mari Fukumoto in guter Kenntnis der Kern-Orgel die beiden Stücke leicht in die Frauenkirche übertragen, also in Registern und Raum wirken lassen konnte.

Das gelang gerade bei Weckmann, für dessen »O lux beata trinitas« (Oh Licht der Heiligen Dreifaltigkeit) die Organistin wunderschöne Renaissanceregister fand und bei dem das Thema des Primus versus zunächst, schweren Tropfen gleich, ins Kirchenschiff »gefallen« war. Die folgenden Sätze (Secundus versus, Teritus versus) verströmten erst kräftige, dann warme charakteristische Stimmungen, bevor der wandelbare Quartus versus mit Variationen zunächst auf dem Manual und mit begleitenden Wellenfiguren, an Holzbläser und Vogelstimmen erinnerte. Manche der Stimmen schienen jedoch etwas durchdringend, auch ließ vorübergehend die Spannung nach. Die letzten beiden Versus führten noch einmal in eine Steigerung hinsichtlich wachsend verwobener Stimmen, wobei der letzte (Sextus versus) bereits auf Bach vorauszusehen schien.

Mit der zehnten Orgelsinfonie von Charles-Marie (Opus 73, die »Romantische«) nahm Mari Fukumoto Bezug zum ursprünglichen Konzertgedanken. Der Komponist hatte seine Orgelsinfonien explizit für die Cavaillé-Coll-Orgel von St-Sulpice geschrieben und in ihnen verschiedene Stile imitiert. Mari Fukumoto überraschte mit teils sehr grellen Klängen der hohen Pfeifen, gerade im ersten Satz (Moderato), die sich jedoch bald in flächigen Klang auflösten. Dafür wurden unterschiedliche chromatische Stufen hörbar, die miteinander verschmolzen.

Den Choral begann sie schlicht und innig, fast leise, bevor auch hier grelle Einschübe für Unterbrechungen sorgten, die aber zurückführten und in die schlichte Melodie über dem Baß mündeten. Die Verwandlungen des Chorals sind vielschichtige Metamorphosen, die im dritten Satz (Cantilène), der mit seiner neuen Singstimme über dem Baß beginnt, im Grunde fortgeführt werden. Gerade dort gelangen Mari Fukumoto schwebende Töne, jedoch gewann erneut ein durchdringenderer, präsenterer Klang die Oberhand.

Ein solcher prägte noch den Beginn des Finales, zudem schienen die Schichtungen des Mittelteils statt in einer Schmelze (wie im Moderato) jetzt eher zu verschwimmen. Zum Ende des letzten Satzes hin hob Mari Fukumoto eine erstaunliche Gesanglichkeit des Plenums hervor. Widors Werke (nicht nur die oft zitierte Toccata aus der fünften Orgelsinfonie) können schnell bzw. leicht eine Übergewichtigkeit erreichen, die den Zuhörer zu erdrücken droht. Um so effektvoller fiel der Abschluß des Finalsatzes aus, der nach dem (vorläufigen) Gipfel in einen Moment der Beruhigung und Besinnung fiel, bevor er wachsend noch einmal aufstrahlte – hier traf der neue Titel »Licht und Tag«, zu, erneut schien wiederum ein wenig Bach zu »grüßen«.

4. Juli 2024, Wolfram Quellmalz

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

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