Böhmen grüßt Sachsen

Linda Sítková an den Silbermann-Orgeln des Freiberger Doms

»Mannigfaltigkeit der Emotionen« stand über dem Programm, »Vielfalt der Orgelmusik« hätte ebensogut gepaßt. Wir hatten anläßlich des Gottfried-Silbermann-Geburtstages am 15. Januar und des an diesem Tag veranstalteten »Soundtrains« durch die Region bereits die Prager Organistin Linda Sítková in der Glauchauer Georgenkirche hören können, wo uns ihr Programm ausnehmend gut gefiel [Bericht damals in der Freien Presse Chemnitz und im Magazin Organ]. Gestern war sie im Freiberger Mariendom zu Gast – ein wenig schade, daß ihr Programm im Vergleich zu Glauchau doch eine ganze Reihe Überschneidungen zeigte.

Linda Sítková an der Orgel der Basilika St. Jakob, Prag, Photo: privat

Dabei gab es allerdings zunächst zwei böhmische Komponisten an der kleinen Silbermann-Orgel zu entdecken, die nur Experten bekannt sein dürften, welche sich in den Gefilden der Orgelliteratur ausführlich vertiefen oder die Böhmische Kulturlandschaft gründlich durchforsten: sowohl František Xaver Brixi als auch Karel Blažej Kopřiva hört man hierzulande kaum! Der eine ist gut zwanzig Jahre vor Mozart geboren, der andere dessen Altersgenosse. František Xaver Brixis Präludium C-Dur begeisterte mit seiner beweglichen Motivik und dem heiteren Duktus, der sich passend ins sommerliche Wetter zu fügen schien. Im Vergleich war die bedächtige, andächtige Fuge a-Moll von Karel Blažej Kopřiva fast eine Trauermusik, jedoch nicht mit bedrückender Wirkung – reiner Schönsinn herrschte hier vor!

Johann Sebastian Bach gehörten – wie in Glauchau – wesentliche Teile des an der großen Orgel gespielten Programms, das im Verhältnis auch deutlich weiter ausfiel. Brixi und Kopřiva hatten quasi ein böhmisches Vorprogramm bereitet.

Allerdings ging es mit böhmischen bzw. tschechischen Entdeckungen auch hier weiter: František Musil stand nicht mehr für die Mozartzeit, sondern die Romantik. Mit seiner Sonata solemnis – nicht nur das bekannteste Werk des Komponisten, sondern auch eines der wenigen überhaupt, die man in seinem Katalog findet – präsentierte Linda Sítková ein Werk, das ein wenig Bachs Triosonaten zu folgen scheint, sie aber mit der romantischen Themenverarbeitung verbindet. Zunächst kreuzten sich die auf- und absteigenden Motive, wechselten durch die Register, wo sie besonders in den Holzbläsern gesanglich durchdrangen. Das Andante (Canon) erinnerte in seiner Leichtigkeit an Chopins h-Moll-Sonate, während die Fuga bei der romantisch-verschlungenen Stimmverknüpfung blieb, statt eine Kontrapunktik klar heraus- bzw. gegenüberzustellen.

Für ein Gegenüber sorgte Johann Sebastian Bach, den Linda Sítková mit zwei Werken Musils Sonate einschließen ließ. Vor allem die Partita »Sei gegrüßet Jesu gütig« (BWV 768) mit ihrem andächtigen Charakter und der großen Variationsbreite begeisterte hier, schon deshalb, weil der Organistin eine kontinuierliche, innere Bindung wichtig war und sich noch die virtuosesten Variationen nicht herauslösten. So wechselnten ein singender Baß mit lebhaftester Ornamentik, die über einem schreitenden Rhythmus flimmerte.

Schon in Glauchau hatte Linda Sítková Bachs Passacaglia c-Moll (BWV 582) angenehm schimmern lassen. Vielleicht ist es eines ihrer Lieblingsstücke? Auf jeden Fall nahm sie ihm alles monströse und mied eine spektakulären Überhöhung.

26. Juli 2024, Wolfram Quellmalz

In der nächsten Abendmusik des Freiberger Doms spielt Olga Minkina (Tangermünde) ein Programm »Der junge Bach auf Reisen«.

https://www.freiberger-dom.de/konzerte/konzerttermine.html

https://www.lindasitkova.cz/de

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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