Vorletztes Konzert der Dresdner Reihe
Wenn die Sommerferien früh anfangen, gehen sie auch früh zu Ende – am kommenden Sonnabend ist bereits das letzte Konzert des Orgelsommers in der Dresdner Kreuzkirche, bevor die Vespern und mit ihnen gleich der Kreuzchor, wieder Einzug halten.
Klaus Geitner sorgte gestern mit einer kurzweiligen Zusammenstellung für einen weiten Rundumblick. Mit Marco Enrico Bossis Entrada und Piccolo corale gab es zwei Rückgriffe auf alte Formen aus dem späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert, wobei die Entrada einen (kurzen) festlichen Einzug bereitete, während der Piccolo corale ein fast impressionistisches Schimmerbett bereitete, aus dem sich die Choralmelodie erhob.

Mit Felix Mendelssohn und Clara Schumann hatten sich gleich zwei Komponisten des Programms ebenso rückbesonnen – oder nicht? Warum muß es immer eine »Rückbesinnung« sein, wenn sich jemand nach Bach einem Praeludium und Fuge zuwendet? In beiden Fällen war das Resultat reizvoll: mag Mendelssohns Werkpaar in G-Dur (Opus 37 Nr. 2) noch komplexer und raffinierter sein – der Komponist spielte die Orgel selbst meisterlich, während Clara Schumanns Praeludium und Fuge d-Moll, Nr. 3 aus Opus 16, ursprünglich für das Klavier geschrieben wurde – beiden war ein romantischer Gestus gemein, der den Ausdruck und die Stimmung über rein strukturale Aspekte wie eine Kontrapunktik hob. Die Struktur blieb als tragendes Mittel (oder Mittel zum Zweck) natürlich erhalten.
Klaus Geitner fügt seinen Programmen gern zeitgenössische Stücke hinzu. Fünf der Deuxième Suite religieus von Georges Jacob bereiteten – sie sind selbstverständlich bei einem 1950 verstorbenen Komponisten heute nicht mehr »zeitgenössisch« – den Weg dahin. In wiegendem Rhythmus (Invocation / Aufruf) und gesanglich schien Jacobs Suite an frühere Werke anzuschließen, freilich mit der Harmonik des 20. Jahrhunderts. Angelus (Engel) gelang vor einem wie schwebenden Hintergrund besonders gesanglich, während das Souvenir grégorien (Gregorianisches Souvenir) ausnehmend dunkel schien. Auf die fröhliche Communion (Kommunion) folgte wie zum zusammenfassenden Beschluß das dunkle oder dämmernde, wiewohl frohe Prière du soir (Abendgebet).
Mit der Sonatine Nr. 8 von Andreas Willscher, 1955 geboren, stand die Zeitgenössische Musik dann zentral im Mittelpunkt. Der Komponist bedient sich darin malerischer, impressionistischer und auch fein aufgetragener Farben, die besonders die »Sonnenfäden auf dem Morgentau« und das »Mondlicht über dem Meer« verdeutlichten. Letzteres, als Chaconne geschrieben, ließ Reflexe tanzen, bevor die »Hymne an die Sterne« die Sonatine abschloß. Etwas Unruhe gab es an dieser Stelle im Publikum, so daß sich nicht klar sagen ließ, ob der etwas irritierende Eindruck der Pfeifen durch die Störung oder die etwas grellen Töne hervorgerufen worden war.
Mit einer Passacaglia von John Ebenezer West beendete Klaus Geitner sein Konzert. Sie schien Johann Sebastian Bach jedoch mindestens ebenso zu huldigen wie Joseph Gabriel Rheinberger, dem das Stück gewidmet ist.
28. Juli 2024, Wolfram Quellmalz
Kommenden Sonnabend präsentiert Jörg Nitschke (Essen) im Orgelsommer ein weitgespanntes Programm von Louis Marchand über Camille Saint-Saëns bis zu Richard Wagner.
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