Batzdorfer Barockfestspiele besuchen Zeitgenossen
Für Countertenor Alex Potter war es der erste Besuch auf Schloß Batzdorf. Er zeigte sich begeistert und meinte, Sopranistin Guro Evenson Hjemli und das Ensemble Nivalis Barokk seien bereits »heiß« auf den nächsten Besuch. »Heiß« sein fiel an diesem Donnerstagabend allerdings in anderer Hinsicht leicht, war es doch noch einmal einer der wärmsten Tage im August. Die Veranstalter hatten daher umsichtig vorgesorgt und stellten Zitronenwasser zur Verfügung.

Wobei Alex Potter meinte, Bier und Wein seien die authentischeren Getränke – zu Händels Zeiten habe man Wasser nicht getrunken. Der Countertenor oder Altus war nicht nur als »Landsmann« Georg Friedrich Händels (so man ihn als Londoner Komponisten sieht) ein guter Vermittler, er moderierte auch sonst kurzweilig, mit Charme und Witz. Passend zum Programm »Händels beste Feinde« fragte er das Publikum, was es denn glaube, ob dieser oder jener Komponist eher Freund oder Feind Händels gewesen sei. Agostini Steffani war klar ein Freund, ebenso wie Attilio Ariosti. Wirklich »Feind« war eigentlich keiner, allenfalls Konkurrent. Wobei sich Giovanni Bononcini mit einer der ersten Plagiatsaffairen in die Geschichtsbücher einschrieb. Weil er ein Madrigal Antonio Lottis für ein eigenes ausgegeben hatte, verlor Bononcini einst all seine Mitgliedschaften und Zugehörigkeiten in London, etwa bei der Royal Accademie of Music, was de facto einem Arbeitsverbot gleichkam – Bononcini mußte London verlassen.
Dabei hätte es der begabte Komponist gar nicht nötig gehabt, wie das Konzert zeigte. Denn neben anekdotischen und kurzweiligen sowie höchst lehrsamen Ergänzungen (wie oft hört man heute zum Beispiel, ein Urheberrecht habe es früher nicht gegeben, was durch den oben genannten Fall widerlegt ist) gab es viel Musik von Händel und seinen Freunden. Und die gewann vor allem durch die beiden Sänger und deren emotionaler Ausgestaltung an Kolorit. Alex Potter war wohl vor allem zu Beginn noch freier, worein sich Guro Evenson Hjemli anfangs noch steigern mußte. Sehr schnell fanden die beiden aber zu einem musikalisch wie gestalterisch stimmigen Duo. Nivalis Barokk stellte mit einfachen Stimmbesetzungen eine kleine, farbenreiche Kapelle dar, deren führende Oboe (Jon Fredrik Hjelmi) und Violine (Laima Olsson a Siv Thomassen) immer wieder Soli übernahmen oder im Paarlauf mit den Sängern spielten.
So belebten sie auf der Bühne des Batzdorfer Herrenhauses eine Szene aus Agostini Steffanis »Orlando«, entwickelten aber auch für Giovanni Bononcinis Kantate »Luci barbare spietate« ein einfühlsames Duett – Dorinda und Tirsi verhandeln über eine barbarische, barmherzige, schöne Liebe …
Die Liebe, so Alex Potter, habe die Menschen damals ins Konzert gebracht. Wenn sie nicht im Mittelpunkt stand, wie in Händels Oratorium »Theodora«, blieben sie dagegen aus. Dabei schätze der Komponist selbst »Theodora« am höchsten, und nicht wenigen Besuchern am Donnerstag dürfte zumindest die Ouvertüre doch sehr bekannt gewesen sein. Die zumeist aus Norwegen stammenden Musiker von Nivalis Barokk ließen das Werk, das im Covent Garden Theatre uraufgeführt wurde, in seiner ganzen Größe und Vielfalt leuchten. Nicht zuletzt, weil die instrumentalen Verflechtungen der Stimmen so trefflich gelangen. Ondřej Šindelář wechselte am Fagott beständig von der Begleiterrolle im Basso continuo zu kleinen Soloverzierungen oder als Duettpartner der Sänger. Und Cembalistin Alena Hönigová – hier ohnehin gut bekannt – sorgte für die Bindung der unterschiedlichen Gruppen.
So konnten sich die Besucher noch besser auf all das konzentrieren, was sie noch nicht kannten, wie (vielleicht) Attilio Ariostis Arie »Col nemica di mia pace« (»Mit dem Feind des Friedens«) aus der Oper »Tito Manilo«. Alex Potter spielte dabei seine Stärken besonders aus. Hatte er schon zu Beginn bei Steffani effektvoll zwischen Kopf- und Bruststimme gewechselt, ließ er bei Ariosti Koloraturen funkeln.
Händel hat nicht nur zu Lebzeiten Menschen inspiriert, er kann dies bis heute. Wie den tschechischen Komponisten Otto Orany, der an Händel die Kombination aus berührender Einfachheit und musikalischer Komplexität bewundert. »Planta sapiens«, sogar eine Uraufführung, verband Elemente der Minimal music in der Begleitung mit ariosen Teilen für Sänger und Instrumentalsolisten.
30. August 2024, Wolfram Quellmalz