Bei Los Temperamentos in Thalheim überwog der Unterhaltungswert
Nach dem Wallonischen Barock am Vortag (Bergkirche Seiffen) ging der Streifzug des Musikfestes Erzgebirge am Donnerstag in der Kirche Thalheim weiter, wo ein »Spanisches Barockfest« auf dem Programm stand. Nun kann man bei spanischem Barock eine europäische Facette zum italienischen, französischen oder deutschen Barock erwarten – oder aber etwas anderes.
Denn »Historias de alta mar« (Geschichten von hoher See) fokussierte nicht auf einen bestimmten nationalen oder an einem Fürstenhof geprägten Stil, sondern umschloß alles, was im Barock durch die spanische Seefahrt verbunden war, von der Iberischen Halbinsel über die Britischen bis zu den Karibischen Inseln. Und die »Transporteure« solcher Musik waren nicht nur reisende Sänger oder Instrumentalisten, sondern vor allem Seefahrer. Die nahmen mitunter neben einwandfreiem oder fragwürdigem Gut auch alle möglichen Noten mit, derer sie habhaft wurden, und verwendeten sie auf eigene Weise.

So startete Los Temperamentos mit Henry Purcells märchenhaften A bird’s Prelude (mit in die Kirche einziehenden Flöten und Vogelpfeifen) sowie der Chaconne of Chinese Man and Woman aus der Semi-Opera »The Fairy Queen«, um danach sogleich zwei Lieder einzufügen, die nicht im Programm standen. Die Flexibilität des Ensembles ist sein großes Gut, zum Beispiel drin, daß die Akteure nicht nur Instrumente spielen, sondern singen, vom Leiter Néstor Fabián Cortés Garzón (Violoncello) angefangen über die Sopranistin Swantje Tams Freier, die neben den Blockflöten noch die Trommel »rührte«, oder Nadine Remmert, die sich gesangsstimmlich immer wieder vom Cembalo aus einmischt. Jorge Alberto Martínez übernahm nicht nur viele der Trommeln und anderer Schlagwerke, sondern auch die männlichen Gesangsparts.
Spätestens mit den Abweichungen von der Programmfolge und den von Néstor Fabián Cortés Garzón aus anonymen historischen Quellen arrangierten oder frei veränderten Stücken machten es Los Temperamentos den Zuhörern jedoch nicht immer leicht, ihnen zu folgen. Denn auch das Programmheft war in dieser Hinsicht eher dürftig. Zum Beispiel hatten viele der Gesangstexte einen offenbar ausgeprägten Verlauf, fügten nach der vermeintlich letzten Strophe plötzlich noch eine Episode an, nur – welche? Mehr Hintergrundinformation wäre vielleicht hilfreich zur »Navigation« (für Seefahrer doch unabdingbar!) gewesen, zum Beispiel bei Domenico Scarlatti. Der Italiener, den wir heute vor allem durch seine damals bahnbrechenden Klaviersonaten kennen, weilte ab 1729 als Domingo Escarlatti am Hof von Sevilla – als Komponist, nicht als Seefahrer. Seine Klaviersonate d-Moll, im Verzeichnis von Ralph Kirkpatrick als Nr. 89 eingetragen und ausnahmsweise dreisätzig, war um eine Improvisation gewachsen, doch aus welchem Grund bzw. mit welchem Ziel?

Nichts gegen solche Abweichungen von der klassischen Vorlage – zu streng soll man es ja auch nicht hören, aber Los Temperamentos konnten dies nur zum Teil mit dem ersetzen, was sie im Ensemblenamen versprachen, selbst wenn sie viele volkstümliche und folkloristische spanische, peruanische und andere Musik mit Rhythmus (Trommeln, Kastagnetten, eine Art Marimba, Händeklatschen und Stampfen) anregten. Die kurzen Moderationen von Swantje Tams Freier und Nadine Remmert glichen es ebenfalls nur zum Teil aus.
Dennoch hatten Los Temperamentos einiges zu bieten, gerade instrumental, denn neben der Cembalistin, die Sätze und Stücke immer wieder mit kleinen Überleitungen, auch einmal toccataartig, verband, fielen vor allem die erstklassige Violine von Marina Kanuno sowie das gesanglich-schöne Cello von Néstor Fabián Cortés Garzón auf. Ganz zu schweigen von Felipe Maximiliano Egaña Labrín, der auf seinen Traversflöten virtuose Koloraturen vollführte.
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