Lust auf Klassik

Aufgewertetes Stipendiatenkonzert

Zwar mußte die Dresdner Musikhochschule in den letzten Jahren manchen nennenswerten Verlust an Zuwendung für Stipendien verkraften, sie konnte dies jedoch durch neue Spender mehr als ausgleichen. Der Verein der Freunde und Förderer der HfM allein vermittelte zehn Deutschlandstipendien, so daß die Gesamtzahl sogar kontinuierlich gestiegen ist – man kann nur hoffen, daß angesichts aktueller Haushaltslagen hier kein Einbruch folgt, sondern das Niveau gehalten wird.

Was auf der »Habenseite« eine hilfreiche und ganz praktische Unterstützung ist, führte zunächst zu einer Aufwertung der Konzerte an der HfM. Bislang stellten sich alle Stipendiaten aus den Genres Klassik, Rock / Pop und Jazz gemeinsam vor, was zwar einen interessanten Überblick (nicht zuletzt über die Tätigkeitsfelder der Hochschule) bot, im einzelnen jedoch eher kleinteilig blieb – »bunte Mischung« statt vertiefte Betrachtung. Die größere Anzahl an Stipendiaten legt es nahe, diese Konzerte stärker zu konturieren. Nach einem ersten Termin im Juni (Schloß Albrechtsberg) stellten sich am Donnerstag sechs Stipendiatinnen und Stipendiaten aus dem Bereich Klassik im Konzertsaal der HfM vor (Träger: Cellex Cell Professionals GmbH, »Liesel-von-Schuch-Stipendium«, Lions Fördervereins Dresden-Elbflorenz e. V. und Deutsche Werkstätten Hellerau). Das konzentriertere Programm erlaubte mehr als nur je einen einzigen Beitrag, zudem war ein dramaturgischer Verlauf statt loser Abwechslung möglich. Baßbariton Alexander Rampp (Klasse Prof. Matthias Henneberg) sorgte mit zwei Auftritten an Beginn und Ende quasi für einen Rahmen.

Die Eröffnung gehörte aber Pavlina Gusheva (Klasse Prof. Markus Groh), die mit dem ersten Satz aus Sergei Rachmaninows Klaviersonate Nr. 2 für frischen Wind sorgte. Zwischen aufwühlenden, expressiven Akkorden fand sie ausdrucksstarke Momente der Ruhe.

Vor allem Sänger sind unter den aktuellen Stipendiaten stark vertreten. Und das nicht nur in der Zahl, sondern nicht weniger in ihren Darbietungen. Kurumi Sueyoshi (Klasse Prof. Yamina Maamar) bot mit der Arie der Pamina »Ach ich fühl’s« aus Mozarts »Die Zauberflöte« und Puccinis Musetta (»Quando m’en vò« aus »La bohème«) nicht nur einen großen Farbkontrast, sie ließ gerade Musetta glitzern, fast funkeln. Später schob sie noch Juliettes »Je veux vivre« aus Gounods »Roméo et Juliette« nach und ließ sich zwischendurch vom Fördervereinsvorsitzenden Wolfgang Schaller interviewen – auch das eine Bereicherung. Stipendiaten stehen in der Regel vor dem Berufseinstieg, für Kurumi Sueyoshi bedeutet dies, sich an verschiedenen Häusern vorzustellen. Das Stipendium hilft hier allein schon bei der Reiseplanung. Aktuell ist die Sopranistin im Opernstudio am Theater Chemnitz engagiert und in zehn Produktionen, von Mozart-Requiem über Rigoletto und Fledermaus bis zum Gesprächsformat »Ausgeplaudert« (diesen Sonnabend) zu erleben. Gleich am Sonntag wirkt sie als Gast an der Semperoper in Johan Ingers Peer-Gynt-Produktion mit (eines der Milchmädchen).

Das Klavier spielte an diesem Abend außer der Begleitung der Sopranistin (Seunghwan Ji) weiter eine große Rolle. Huiming Zhang (Klasse Prof. Hinrich Alpers) führte den erstaunlichen Wandel vor, den Alexander Skrjabins Klaviersonate Nr. 5 durchläuft: kontrastierend zunächst, wie eine Schwarz-weiß-Graphik, gewann sie zunehmend an Farbe über einem immer getriebenerem Perpetuum-mobile-Impuls.

Noch einmal Skrjabin von einem Studenten Hinrich Alpers‘ gab es nach der Pause: Yuta Tenkatsu rechte Hand ist nach einem Bruch im April noch nicht genesen. Mit Max Regers Präludium und Fuge, Nr. 4 aus Vier Spezialstudien für die linke Hand und einem Präludium aus Opus 9 von Skrjabin führte er zwei seltenst zu hörende Stücke vor und erklärte anschließend Dekan Franz Brochhagen, wie herausfordernd es sei, mit der linken Hand Melodie UND Begleitung zu spielen und diese angemessen zu schichten.

Countertenor Philipp Rauh (Klasse Prof. Hartmut Zabel) war bei Johann Sebastian Bach (»Domine Fili« aus der Messe g-moll, BWV 235) praktisch in seinem Fach. Robin Gaede hatte ihn zuvor noch bei einem (in diesem Stimmfach) ungewohnten »Ausflug« begleitet: zum Schubert-Lied. Die »Grillen« des »Einsamen« (D 800) trug Philipp Rauh mit besonderem Witz vor.

Witz bewies Alexander Rampp auch im Finale. Nach einer Händel-Arie zu Beginn unterbrach er nämlich seine Begleiterin Štepánka Rohlícková kurz, um die Frage aus Albert Lortzings Baculus-Arie, was er denn nun mit »Fünftausend Talern« anfangen solle, direkt ans Publikum zu richten. Taler gibt es im Stipendium nicht mehr, aber eine wertvolle Unterstützung und Starthilfe.

25. Oktober 2024, Wolfram Quellmalz

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