Kreuzchorvesper am 22. Sonntag nach Trinitatis
Die Zuversicht, daß ein gutes Werk vollenden werde, wer es begonnen hat, spiegelte sich am Sonnabend in der Dresdner Kreuzkirche nicht nur in der liturgischen, sondern auch der musikalischen Auslegung. Mit Jan Arvid Prée setzt der Kreuzchor derzeit im dritten Jahrgang die Reihe neuer Introitus für die Sonn- und Feiertage fort. Dereinst sollen sie, sobald der Zyklus vollständig ist, im Druck erscheinen. Wiederaufführungen an den jeweiligen Tagen gibt es aber heute schon. Mit Anton Matthes wiederum schöpfte der Kreuzchor bereits aus der Tradition der Prée nachfolgenden, jüngsten Komponistengeneration.
Der Introitus nach Worten aus dem 143. Psalm (Uraufführung) folgte der mittlerweile gängigen Praxis zweier unterschiedlich großer Chöre, was einerseits die klare Vermittlung des Wortes unterstreicht und Hervorhebungen ermöglicht, andererseits nutzte der Komponist die Gelegenheit harmonischer Wechsel und der Zusammenführung beider Chöre.
Arvo Pärt, 1930 geboren und einer der wichtigsten lebenden Komponisten, stand zumindest dem Alter nach erst an drittjüngster Stelle des Programms, wiewohl sein »Peace upon you, Jerusalem« sich solchen Generationsfragen entzieht und eindeutig in unsere Zeit gehört. Pärt nutzte den meditativen Effekt der Verlangsamung für seine Beschreibung und unterstrich den Friedenswunsch am Ende mit den Sopranen, die für einen Hall-Ton sorgten, während der übrige Chor den Text weitertrug.
Im Mittelpunkt stand Johann Sebastian Bachs für diesen 22. Sonntag nach Trinitatis geschriebene Choralkantate »Mache dich, mein Geist, bereit« (BWV 115) aus dem zweiten Leipziger Jahrgang, die zum Gottesdienst am Reformationstag noch einmal erklingen wird. Unter den Solisten traten Alexander Schafft (Tenor) und – sehr kurzfristig eingesprungen – Daniel Ochoa (Baß) auf, Elisabeth Holmer belebte die Alt-Arie »Ach schläfrige Seele, wie?« mit sanftem Timbre wieder sehr einfühlsam, für das Sopransolo (»Bete aber auch dabei mitten in dem Wachen!«) vertraute Kreuzkantor Martin Lehmann auf Kruzianer Joel Necker, der sich der wichtigen Aufgabe (und nicht unbeträchtlichen Last) gewachsen zeigte – ein neues Beispiel für das gefestigte, gegenseitige Vertrauen. Das läßt sich auch im Zusammenspiel mit den Instrumentalisten sagen, die wieder vom Philharmonischen Kammerorchester Dresden kamen und hier mit Flötensolo den Sopran unterstrichen.
Robin Gaede hat ebenso schon mehrfach (Vertretungs)aufgaben in der Kreuzkirche übernommen. Er begleitete als Continuo-Spieler sowie an der großen Orgel die Vesper. Louis Viernes Allegro maestoso aus der dritten Orgelsinfonie scheint zunächst zu zirkulieren, bevor es zu einer Blüte gelangt.

Begegnungen mit der Musik Andreas Hammerschmidts sind immer eine Bereicherung. »Meine Seele erhebt den Herren« aus den Fest- und Zeitandachten für das Chor, geradezu herzerquickend, mochte man da nicht mehr Bachs Kantate nachstellen! Vom harmonischen Gerüst bzw. Wohlklang über die ausgearbeiteten Formelemente, Textbetonungen wie ein mehrfach wiederholtes »zerstreuet« (was den Zustand der Zerstreuung unterstreicht) bis zu den parallelen, aber großartig verständlichen Textzeilen konnte Hammerschmidt von den derzeitigen Vorzügen des Kreuzchores profitieren – davon gerne mehr!
Mehr gab es sogleich im Anschluß mit einer Motette von Anton Matthes, übrigens ein bruchloser Anschluß, denn trotz der nahezu vierhundert Jahre zwischen Hammerschmidt und Matthes verbinden beide (über den Kreuzchor hinaus) harmonische Verständlichkeit und Zugänglichkeit. Die Motette »Beati mortui« erklang bereits am 18. Mai in der Pfingstvesper, damals noch mit dem Komponisten als aktivem Kruzianer. Wieder- wie Uraufführungen von ihm sind wohl höchst wahrscheinlich!
Mit Max Regers »Nachtlied« aus Opus 138 gab der Kreuzchor der Gemeinde das Geleit, welches die Dresdner Turmbläser draußen aufnahmen.
27. Oktober 2024, Wolfram Quellmalz
Die Kreuzvesper am kommenden Sonnabend gestalten die Männerstimmen des Kreuzchores.
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