Reformationsoratorium von Friedrich Sacher

Uraufführung in der Kirche Brockwitz

Am Reformationstag hatte die Brockwitzer Kirche zu einem Konzert mit Uraufführung eingeladen, zu dem sich die ganze Gemeinde einzustellen schien – das Gotteshaus war bis auf die letzte Bank gefüllt. Für die Aufführung hatte Friedrich Sacher, seit 2022 Kantor im Kirchspiel Coswig-Weinböhla-Niederau, ein Projektorchester um Konzertmeister Caspar Erler zusammengestellt, das zunächst mit Alexander Glasunows Thema & Variationen für Orchester Opus 97 für eine Einstimmung sorgte. Für das Reformationsoratorium, Opus 14 von Friedrich Sacher, standen als Solisten Linda Ahlers (Sopran), Jasmin Désirée Schaff (Alt), Florian Neubauer (Tenor) und Willy Wagner (Baß) sowie darüber hinaus Robin Gaede an der Orgel zur Verfügung.

Die vom Komponisten selbst geleitete Uraufführung begann in unbestimmten, tiefen Sphären und erinnerte an das Heraufdämmern von Schuberts h-Moll-Sinfonie, führte jedoch mit Pauken, Orgel und Orchester bald in eine positive Wendung – »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir« nahm Bezug zu Martin Luther und gab thematisch eine Richtung vor. Für den Chor der Kantorei eine knifflige Aufgabe, denn hier galt es nicht nur, Wortverständlichkeit herzustellen (zuerst in den Sopranen gegeben), er mußte im Verlauf auch manche Ausdeutung stilistisch vollziehen. Tonläufe sowie emotionale Zustände, nicht zuletzt der Beklommenheit (»Saget den verzagten Herzen«) gehörten dazu, doch sollte natürlich alles thematisch, liturgisch und im ganzen Ansinnen in »Ein‘ feste Burg ist unser Gott« münden. Den Choral hat Friedrich Sacher jedoch nicht triumphal ans Ende, sondern in die Mitte gesetzt. Somit stehen der gläubige Mensch und sein Weg Im Mittelpunkt seines Reformationsoratoriums, mit allen Fragen und Zweifeln.

Eindrucksvoll dargestellt wurde dies unter anderem von Quartett und Chor, die im Wechsel das Dunkel darstellten (»Finsternis bedecket das Erdreich und Dunkel die Völker«) und die Flucht bzw. Suche daraus (»Herr, schaffe uns Beistand in der Noth«) gegenüberstellten. Somit erzählt Friedrich Sacher weniger eine Handlung oder Bekehrung als vielmehr die Verinnerlichung und Bestätigung eines Gläubigen, der im Dialog (mit sich, mit anderen, mit Gott) Zuversicht erlangt.

Für diese Fragen, Gegensätze und Erkenntnisse separiert das Oratorium nicht allein Stimmen Friedrich Sacher positionierte die Solisten auch einmal gegenüber dem Chor auf der Empore. Somit gelang nicht zuletzt eine größere räumliche Erfassung der Kirche.

Unter den Sängern fiel Linda Ahlers auf, deren Sopran vor allem in tieferen Lagen an Schönheit (bzw. Zuversicht) gewann, . Florian Neubauer, den wir bisher vor allem in Vorstellungen der Landesbühnen Sachsen erlebt haben, verriet sein übliches Genre in der ersten Arie (»Ach, daß die Hülfe aus Zion über Israel käme«) durch ein etwas opernhaftes Vibrato, erwies sich danach aber als guter und emotionaler Erzähler (Rezitativ »Der Herr ist mein Fels«). Bei Willy Wagner wiederum lag die Baßpartie sozusagen in besten Händen (oder Stimmbändern), denn neben dem kräftigen und ausdrucksstarken Baß verfügt Wagner als Kommilitone und Kantorenkollege (ebenfalls seit 2022 ist er hauptamtlicher Kantor der Gemeinden Ernstthal-Wüstenbrand und St. Christophori Hohenstein-Ernstthal) über ein vergleichbares Verständnis für den Stoff und die Aufführungspraxis.

Friedrich Sacher (Mitte) mit Dank an die Mitwirkenden im gestrigen Reformationstagskonzert, Kirche Brockwitz, Photo: NMB

Robin Gaede sorgte als Erzähler-Begleiter nicht allein für das Continuo, sondern auch immer wieder für klangreiche Ausmalungen bzw. eine stimmungsvolle Einleitung des Luther-Chorals.

Noch im Finale (»Nehmet das Wort an«) waren die Ansprüche an Kantorei und Zuhörer da – im Gegenüber von Tenor bzw. Solistenquartett und Chor lag wieder die Vermittlung des Textes, nicht verschlüsselt, sondern erkennbar. »Himmel und Erde werden vergeh’n! | Aber das Wort Gottes bleibet in Ewigkeit!«

Das »Amen« danach fiel groß aus, die Anteilnahme der Gemeinde ebenso.

1. November 2024, Wolfram Quellmalz

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