Abschluß des Kirchenjahres

Canzonetta-Kammerchor Leipzig in der Dresdner Kreuzvesper

Die Vespern in der Dresdner Kreuzkirche werden nicht nur vom Kreuzchor oder der Capella Sanctae Crucis Dresden gestaltet, sondern auch von Gastensembles. Manche kommen in regelmäßiger, häufiger Folge, wie das Vocal Concert Dresden, andere in loser. Der Canzonetta-Kammerchor Leipzig war schon einige Male zu Gast, wir erlebten ihn zuletzt im März 2022. Jetzt kehrten die Leipziger vor dem letzten Sonntag es Kirchenjahres, dem Toten- oder Ewigkeitssonntag, wieder.

Wie zuletzt umspannte ihr Programm Musik von der Renaissance bis in die Jetztzeit, ebenso wie damals, als der Beginn der Passionszeit bevorstand, hatten viele der Werke einen zurückgenommenen, eher nachdenklichen Charakter.

Gleich mit dem ersten Werk ließ der Canzonetta-Kammerchor Leipzig aufhorchen, denn die Psalmvertonung »Wie der Hirsch schrei[e]t« ist uns durch Felix Mendelssohn sehr geläufig. Die hier präsentierte Fassung von Hugo Distler unterscheidet sich nicht nur durch das eingefügte e, Distler folgt auch keiner romantischen Linie in der Melodieführung, sondern läßt den Text in Silben kraftvoll voranschreiten, um in der dritten Zeile (»Meine Seele dürstet nach Gott«) zu verlangsamen, was hier fast fragend klang.

Canzonetta-Kammerchor Leipzig in der Kreuzvesper zum Ewigkeitssonntag, Leitung: Gudrun Hartmann, Photo: Kreuzkirche Dresden

Mit John Taveners Funeral Ikos (Beerdigungsgesang) hatte Leiterin Gudrun Hartmann ein Stück ausgewählt, das dezidiert auf den Ewigkeitssonntag verwies. Kühl, fast trist schien Taveners Lied, das jedoch diese Tristesse (die sich um ein »Warum?« aufbaut) zum Thema hat. In sechs Strophen hinterfragten Männer- und Frauenstimmen jeweils zweimal abwechselnd und dann gemeinsam das Sterben, den Weg der Seelen, den Pfad, die Vergänglichkeit der Jugend …

Auffallend war das schöne Piano, besonders am Ende der dritten Strophe (»Nichts von alldem wird uns helfen, nur das Singen des Psalms: Alleluja«). Wilhelm Weismanns Psalm CXXI (»Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen«) gestaltete der Chor in dynamischen Stufen, die in schlanker Zurückgenommenheit begannen, aber stetig an Ausdruckskraft gewannen.

Ein wenig verzagt oder gebremst war der Eindruck des Vesperbeginns dennoch, so wirkte Präludium und Fuge in d-Moll (Opus 37 Nr. 3, Orgel: Dr. Wolfram Hoppe) von Felix Mendelssohn im Vergleich erfrischend und belebend.

Danach schien der Canzonetta-Kammerchor bzw. das Programm wie verwandelt. Orlando Gibbons hat mit »Drop, drop slow tears« (Fallt, fallt, ihr Tränen) die Trauer ungemein schlicht und berührend eingefaßt! Darin bewies der Chor ganz besonders seine Fähigkeit zur geschlossenen Klanggestaltung. Mit »Fürchte dich nicht, denn ich hab dich erlöst« und »Herr, wenn ich nur dich habe«, zwei Motetten von Johann Christoph Bach und Johann Michael Bach (beide aus der Elterngeneration Johann Sebastian Bachs) zeigte Canzonetta-Kammerchor den großen Reichtum, der sich in Mitteldeutschland und der weitverzweigten Familie Bach einst entwickelt hatte. Die Texte erfuhren mit den dazwischengesetzten Chorälen eine schöne Betonung (abgesehen vom »Brückeneffekt« für das mit dem Liederbuch vertraute Publikum), ein Eindruck, der sich bei William Henry Monk »Bleib bei mir, Herr!«, nun noch rhythmisch bereichert, bestätigte.

Christian Lahusens nordisch-kühles »Komm Trost der Welt« und das Agnus Dei von Samuel Barber faßten das Wort zum Sonntag (Holger Milkau). Samuel Barber hatte sein Adagio for Strings nachträglich mit Worten versehen. Hier standen sich vor allem Soprane und Bässe gegenüber, während die Mitte mit Alt und Tenören zurückgenommen blieb.

24. November 2024, Wolfram Quellmalz

Die kommende Kreuzvesper feiert mit Blick auf den 1. Advent den Beginn des neuen Kirchenjahres. Im Mittelpunkt der vom Dresdner Kreuzchor und dem Vocal Concert Dresden gestalteten Vesper (Leitung: Peter Kopp) steht das Magnificat (RV 610) von Antonio Vivaldi. Orgel: Kreuzorganist Holger Gehring, Liturgie: Holger Milkau

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