Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle
Mittlerweile hat man sich an die Ansagen vor den Kammerkonzerten der Sächsischen Staatskapelle gewöhnt, zumal Matthias Wilde darin eine charmante Begrüßung mit dem leider notwendigen Hinweis, wann Applaus erwünscht und wann unglücklich sei, verbindet und meist noch eine Anekdote anfügt. Oder ein Zahlenspiel: Am vergangenen Mittwoch gab es in der Semperoper Trios und Quartette mit jeweils drei (vor der Pause) und vier (danach) Sätzen. Eigentlich übersichtlich.
Aber nur scheinbar, denn Paul Hindemiths Sonate für vier Hörner stellte das Publikum vor die nicht unkniffelige Aufgabe, die drei Sätze zu erkennen – Pausen gab es wegen der im dritten Satz enthaltenen Variationen mehr als zwei, und der erste Satz, ein kurzes Fugato, war kaum mehr als ein flüchtiges Prélude. Doch die Zuhörer waren offenbar neugierig und aufmerksam gestimmt, so daß sich das ungewöhnliche Stück mit seinen harmonischen und rhythmischen Wandeln entfalten konnte. Im zweiten Satz (»lebhaft«) entwickelten Jochen Ubbelohde, Zoltán Mácsai, Julius Rönnebeck und Miklós Takács einen regelrechten Swing! Der sich aber bald verästelte, erst einzelne und dann polyphone Fanfaren erklingen ließ. Auch in den Variationen reichte die Darstellungsbreite von schwebendem Gleichklang bis zu expressiven Ausbrüchen – nun wissen wir: es gibt neben Robert Schumanns Konzertstück Opus 86 mindestens ein hörenswertes Werk für vier Hörner.

Gleich noch eine Entdeckung gab es mit dem Trio für Violine, Horn und Klavier Es-Dur (Opus 105) von Carl Czerny. Ja genau, der Czerny mit den schrecklichen Étuden! Eine Empfehlung: Wenn Ihnen etwas Schreckliches angekündigt wird, hören Sie genau hin, es könnte sich als reizvollstes Stück erweisen! Zumindest, wenn Tibor Gyenge (Violine), Zoltán Mácsai und Balázs Demény (Klavier) beteiligt sind. Die ungewöhnliche Form stellt der Komponist noch ein wenig auf den Kopf, zumindest, wenn man das Werk mit dem Horntrio von Johannes Brahms vergleicht. Während dieser einen romantisch-gediegenen, geradezu sinfonisch angeregten Stil verfolgt, erwies sich Czernys Trio in manchem als mit Capricen durchsetzt, also auch im Klavierpart. Denn anders als sonst blieb dieser (schließlich war es Czernys Instrument) nicht in der Begleiterrolle, sondern war in einem beständigen Wechsel mit Horn und Violine um Virtuosität bemüht, ja, übertraf und übertönte die beiden sogar immer wieder. Dies gutwillige Spiel war ergötzlich zu erleben!

Erstaunlich, wie Czerny binnen kürzester Takte elegische Ergießung und technische »Purzelbäume« verband! Zu exzentrisch und herausgestellt war es denn doch nicht, dafür sorgten die beruhigenden Piani des Klaviers, der geschmeidige Ton des Horns und die immer wieder verdichtete Synthese, wenn die drei Stimmen eng zusammenrückten.

Einen Teil des Publikums hatte – da die ersten beiden Stücke eher unbekannt waren – vermutlich besonders Antonín Dvořáks Streichquartett F-Dur (Opus 96) angezogen. An sich ist es nicht ungefährlich, wenn sich Orchestermusiker für ein Werk zusammenfinden, das viele schon öfter mit einem permanenten Streichquartett erlebt haben (in Moritzburg und bei den Musikfestspielen stand es mehrfach auf dem Programm). Doch Yuki Manuela Janke und Holger Grohs (Violinen), Florian Richter (Bratsche) sowie Sebastian Fritsch (Violoncello) entzogen mit ihrem superbem Zusammenspiel jedem Zweifel die Grundlage – sie waren ebenso innig verbunden, wie sie einander pointiert reflektierten. Melodiöse Linien slawischen und amerikanischen Ursprungs (vor allem Adagio) verzückten ebenso wie kleine Soli, mit denen der sonst dichte Quartettsatz durchwirkt war. Und auch strukturell blieb es reizvoll zu beobachten, etwa die sich die drei helleren Streicher und das Violoncello gegenüberstanden: dem trautem Terzett gab das Cello ein sanftes Pizzicato zur Antwort. Überhaupt sorgten gerade Viola und Violoncello für besondere Färbung und Schattierung. Sebastian Fritsch hielt auf seinem Instrument neben dem sensiblen Tupfen des Zupfens einen ungemein leidenschaftlichen Gesangston bereit! Das allein hätte aber nicht genügt, sondern – um zum Ausgangspunkt zurückzukehren – das innige Miteinander, das volkstümlichen Ton und Leidenschaft zu einem stetigen Gefüge werden ließ.

6. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz