Romantischer Abschluß

Caspar David Friedrich im Mittelpunkt des letzten Orgelkonzertes

Man hatte es vielleicht ahnen können, daß der Dresdner Orgel-Zyklus, zumindest in der Kreuzkirche, romantischer wird. Auf der jüngsten Aufnahme von Kreuzorganist Holger Gehring mit Sebastian Pachel (Panflöte) strahlt ein Sonnenuntergang über Dresden, wie ihn Carl Gustav Carus um 1822 gemalt hat. Der Weg von Carus zu Caspar David Friedrich ist in dessen 250. Geburtstagsjahr kurz, in der Kreuzkirche ohnehin, denn hier heiratete der Maler am 21. Januar 1818 Caroline Bommer. Seit Mittwoch erinnert eine Tafel am Hochzeitsportal der Kreuzkirche an diesen Anlaß. Torsten Kulke vom Dresdner Romantik e. V. und Pfarrer Holger Milkau enthüllten sie vor dem Konzert – es ist der zweite von geplant fünfzehn solcher Punkte, die in Dresden einmal den Caspar-David-Friedrich-Weg markieren sollen.

Pfarrer Holger Milkau und Torsten Kulke enthüllen die Gedenkplatte am Hochzeitsportal der Kreuzkirche, Photo: NMB

Das letzte Konzert des Dresdner Orgelzyklus‘ fällt immer ein wenig aus dem Rahmen. Mal im »Orgel-plus«-Format, dann als Konzert mit Orgel und Orchester, auch Bildende Kunst war schon einmal zu erleben. Diesmal gestaltete Lichtkünstlerin Andrea Hilger mit ihrer »Hillumination« das Gotteshaus innen aus. Axel Thielmann, dessen sonore Stimme im Radio und bei Fernsehdokumentationen zu den markantesten gehört, las Texte.

Erinnerungsplatte an der Kreuzkirche, Photo: Kreuzkirche Dresden

Mit sogenannten PANIs, Projektoren für übergroße Dias, und zwanzig gestalteten Glasplatten, die kombiniert werden konnten, verwandelte Andrea Hilger die Kreuzkirche in ein Gesamtkunstwerk, bei dem man manchmal nicht wußte, ob man mitten auf einer Bühne oder in einem Bühnenbild war – eine mythische Freskengrotte etwa? Denn nachdem Caspar David Friedrichs »Tetschener Altar« am Anfang einmal eingeblendet wurde, kehrten keine seiner Motive als erkennbare Zitate wieder. Vielmehr blieben die Bilder nun eher unkonkret und deutbar, ja phantastisch. Vögel, Tiere, Wesen oder einfach nur Augen konnte man in den projizierten Malereien entdecken, symbolhafte Hieroglyphen. Durch Farbverschiebungen und die dazu erklingende Musik änderte sich der Eindruck manchmal – waren die hellen Streifen nun Adern in einem Achat oder rinnendes Wasser?

Lichtkunst in der Kreuzkirche, Photo: Kreuzkirche Dresden

Musik, die durch Caspar David Friedrich überliefert ist, gibt es an sich nicht, dafür aber ein um so breiteres, offeneres Œuvre an Werken der Romantik. Holger Gehring hatte sich für die Studien in canonischer Form (Opus 56) von Robert Schumann entschieden, die wie wildes Wasser, organisch fließend, lieblich oder auch beschwingt und froh klangen. Die Jehmlich-Orgel stand als Darstellerin den Bildern in nichts nach, die enge Verzahnung von Musik und Illumination (oder Imagination) war sinnig, teils verblüffend.

Lichtkunst in der Kreuzkirche, Photo: Kreuzkirche Dresden

Axel Thielmann sorgte mit pointierten Textvorträgen dafür, daß niemand zu romantisch abschweifte oder setzte gerade mit Beiträgen von Novalis Zeichen von besonderer Deutungstiefe. »Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren« gehörte dazu, später folgten drei der »Hymnen an die Nacht« (»Welcher Lebendige«, »Muß immer der Morgen wiederkommen?« sowie »Einst, da ich bittre Tränen vergoß«). Dichteste Romantik, wild und verzagt, fast greifbar – wie schön, daß die »Hillumination« hier nicht wild bebilderte, sondern mit wenigen Übergängen jeweils auf die Atmosphäre bedacht war.

In ihrer Dichte waren die Hymnen einem ebenbürtigen Orgelwerk gefolgt, Adagio und Allegro aus Julius Reubkes Sonate c-Moll (»Der 94. Psalm.«). Kein »Kleinod«, ein »großes Ding« ist es, das zunächst deutlich seine Nähe oder Inspiration bei Franz Liszts h-Moll-Sonate (für Klavier) verriet, jedoch mehr und mehr Eigenständigkeit gewann.

Natürlich durfte Goethe (»Das Göttliche«) nicht fehlen, wie dessen musikalischer Verbündeter Felix Mendelssohn, dem mit Ausschnitten aus seinen Orgelsonaten der Abschluß vergönnt war. Daß es bei all dem romantischen Schimmer in der Musik und dem rotglühenden Marmor im Bild keine symbolische Überladung kam, zeugt von der guten Gesamtkomposition, zu der auch Sentenzen und Erinnerungen von Caspar David Friedrich zählten (»Der Maler«, »Die Schönmaler«, »Die Abende gehe ich über Wald und Flur«). Joseph Freiherr von Eichendorffs »Im Abendrot« und Conrad Ferdinand Meyers »Friede auf Erden«, worin er sich dem Weihnachtswunsch näherte, gehörte das letzte Wort.

5. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz

Der Dresdner Orgelzyklus pausiert nun bis Anfang des kommenden Jahres. Frauenkirchenkantor Matthias Grünert wird am 5. Februar das erste Konzert bestreiten, eine Woche später ist Johannes Unger (Lübeck) in der Kreuzkirche zu Gast. Kurz vor dem Jahrestag der Zerstörung Dresdens heißt es dann »Wie liegt die Stadt so wüst«.

CD-Tip: Sebastian Pachel & Holger Gehring »Pan Flute and Organ«, mit Werken von Johann Sebastian Bach, Gustav Merkel, Gabriel Faure, Bela Bartok, Anghelius Dinicu und anderen, Mitwirkende: Sebastian Pachel, Holger Gehring, Nora Koch, erschienen bei MDG

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