Neue CD von Tobias Berndt und Michael Schütze
Am Anfang war die Idee: als Tobias Berndt und Michael Schütze im ersten Pandemiewinter bei geschlossenen Konzertsälen einen klingenden Adventskalender in den sozialen Medien installierten, fanden sie bald mehr als nur Gefallen an ein paar Liedern. Sie beschäftigten sich mit dem romantischen Liedgut abseits bekannter Werke speziell für die Zeit von Advent und Weihnachten. Und oft findet der, der gräbt, weit mehr als er erwartet hat. So wuchs die Zahl der Funde bald auf deutlich mehr als 24 Lieder. Ende kommenden Jahres soll eine Doppel-CD mit allen Liedern erscheinen, doch schon jetzt vor genau einer Woche im Leipziger Mendelssohn-Haus präsentiert, gibt es mit »Horch, welch himmlische Lieder« mehr als einen Vorgeschmack beim Altenburger Label querstand.
Interessant, ungewöhnlich, ja manchmal wirklich gewöhnungsbedürftig ist die Kombination von Weihnachtsthematik und Kunstlied – wir kennen das Repertoire der Kirchen- und Volkslieder, aber Weihnachten im Kunstlied?
Die Texte, die Botschaft, sind an sich bekannt, aber in der romantischen Beleuchtung und Überhöhung teilweise vollkommen neu, wie schon das einleitende »Sing, ihr heil’gen Himmelschöre« von Karl Hallwachs, dem Michael Schütze auf dem Bechstein-Flügel zu expressiven Ausbrüchen verhilft. Das folgende »Weihnachtsschnee« von Edvard Grieg wiederum scheint den sacht fallenden Schnee eingefangen zu haben.
Die Romantik hat sich in den Liedern schon weit von Schubert entfernt, scheint manchmal Mahler nah, mit Carl Loewe, Max Reger oder Engelbert Humperdinck tauchen jedoch immer wieder zwischen eher wenig bekannten Tonsetzern wie Richard Trunk oder Joseph Haas auf. Viele beleuchtet oft eine melancholische, stille Seite statt froher Gesänge. In der differenzierten Interpretation scheinen Berndt und Schütze ein wenig dort anzuschließen, wo Peter Schreier und Norman Shetler schon einmal angefangen haben – wohlgemerkt nicht nur, wenn es um Peter Cornelius geht.
Auch der Humor darf durchaus nicht zu kurz kommen. Wilhelm Weismanns »ein Jahrtausend alter« Nikolaus donnert allerdings derart frostig an die Haustür, daß man sich vielleicht überlegt, ob man öffnen sollte. Auf sanften Schwingen darf sich »Ich sehe Lichter ohne Zahl« (Ingeborg Bronsart von Schellendorf) erheben. Mit Carl Loewe, Engelbert Humperdinck und Max Reger zeigen sich einige der bekanntesten Komponisten von einer anderen Seite. Und auch Peter Cornelius »Simeon« paßt einfach in dieses Kompilation – Lied-Gut vom feinsten, für Entdecker! Aber gerade, daß die Romantik hier nicht romantisch im Sinne seichter Unterhaltung ausgemalt wird, macht die CD so reizvoll und interessant. Wie die beiden Musiker für die Bilder posiert haben, erscheint damit um so herziger.
Dezember 2024, Wolfram Quellmalz
