Barocker Glanz zur Weihnachtszeit in der Dorfkirche Rossau
Nachtrag: Der Artikel erschien zuerst in einer gekürzten Fassung in der Wochenzeitung »Der Sonntag« und erfolgt hier etwas zeitversetzt.
Ob es nun Sparsamkeit war, zu wenig Interesse oder vielleicht Geiz – es hat auch seine Vorteile, wenn ein Gotteshaus über 500 Jahre nahezu unangetastet besteht. Während andere Gemeinden die zu klein geratenen oder zu wenig prachtvollen Kirche abrissen oder ergänzten und neue, größere bauten, blieb die Dorfkirche in Rossau im wesentlichen ursprünglich erhalten, sieht man von einer kleinen Erhöhung, um die Emporen einzufügen, ab. Ein Stierkopf und eine Fledermaus – heidnische Zeichen – zeugen ebenso von der Zeit der Grundsteinlegung wie die fenster- und türlose Westfassade. Das Heil erwartete man aus dem Morgenlande, also aus Richtung Osten, erklärte Denkmalpfleger Michael Kreskowsky im Konzert am vierten Advent, während aus Westen Unheil drohte.

Ebenso wie das Haus wurde die Orgel kaum angerührt, blieb bei wenigen späteren Ergänzungen im Kern erhalten. Wird das Werk Gottfried Silbermanns hoch geehrt, muß man doch feststellen, daß der Orgelbaumeister aus Kleinbobritzsch meistens alles, was alt und überliefert war, recht rücksichtslos entfernte und es nach seinem Gusto neu baute. Effektregister zum Beispiel mochte er nicht, damit waren sie tabu. Das darf man durchaus einmal kritisch betrachten, ohne Silbermanns Wert oder Beitrag zu mindern. Normalerweise nutzen Orgelbaumeister die überlieferten Werke, soweit sie brauchbar sind, integrieren und erweitern sie. Auch die Orgel von Aristide Cavaillé-Coll in Notre Dame de Paris von 1868 steckt in einem historischen Prospekt und beherbergt noch Register der mittelalterlichen Vor-vorgängerorgel.
In der Dorfkirche Rossau ist man gar nicht sicher, wer die Orgel einst erbaut hat. Zwischen 1670 und 1680 dürfte sie errichtet worden sein. Michael Kreskowsky vermutet, daß sie vielleicht vom Orgelbaumeister Gottfried Richter aus Döbeln stammt. Auf jeden Fall ist auch sie bis heute funktionstüchtig und in einem – für eine so alte Dame – bemerkenswerten Zustand. Und: Sie durfte ihre Effektregister behalten. Zimbelstern (bzw. Cymbelstern), ein Tremulant, der wie dumpfe Pauken klingt, sowie Paradiesvögel durften im Sonntag zum vierten Advent wieder einmal tönen.

Nachdem zuvor das Orgelmagazin vom MDR nicht nur den Autor dieses Artikels angelockt hatte, war die Kirche bis auf den letzten Emporenplatz gefüllt. Die Posaunenengel auf der Orgel und die phantastisch mit Himmelsfenstern und Engeln bemalte Kassettendecke trugen das ihre bei, Glanz zu verströmte – da durfte der etwas vorzeitige Weihnachtsbaum ausnahmsweise geduldetermaßen die Atmosphäre und barocke Pracht zusätzlich anfächern. So konnte sich Pfarrer Uwe Kranz über reichlich Besuch freuen, als es »Barocke Musik zur Weihnachtszeit« hieß. Er stand mit Michael Kreskowsky Neugierigen noch lange für Fragen zur Verfügung. Das hauptsächliche Augen- bzw. Ohrenmerk galt aber verständlicherweise der »alten Dame« Orgel.

Elias Bixl, Kirchenmusiker (D) und Organist mit Passion, erforscht seit 2015 ganz besonders historische Instrumente. Für Rossau hatte er weihnachtliche und festliche Musik ausgewählt, darunter Johann Ludwig Krebs‘ »Vom Himmel hoch, da komm ich her«, Dieterich Buxtehudes »Wie schön leuchtet der Morgenstern« und Arcangelo Corellis »Weihnachtskonzert« (Concerto grosso Opus 6 Nr. 8, g-Moll). In letzterem kamen gleich alle drei Effektregister zum Einsatz: der Zimbelstern (Michael Kreskowsky war zwischendurch ein »Zimtstern« herausgerutscht, wohl ein weihnachtlich-Freud‘scher Versprecher) hatte bereits Krebs‘ Choralbearbeitung ein kleines Sternenfunkeln verliehen – daß er etwas Anlauf brauchte bzw. nicht mehr so hell klingelt wie seine jüngeren Brüder an modernen Orgeln, paßte eigentlich ganz gut zur vorweihnachtlichen Stimmung. Bei Corelli blinkte er noch einmal, bevor der Paukeneffekt einen geheimnisvollen dunklen Grundton anreicherte. Am speziellsten und originellsten waren dennoch die »Paradiesvögel«, die für heutige Ohren auch ein wenig an pfeifendes Feuerwerk erinnerten. Die Dorfkirche ist in der Tat ein »Schatzkästlein«, das mit allem bezauberte, was es zu bieten hat. Natürlich verfügen die drei Glocken längst über einen elektrischen Antrieb. Doch zum Weihnachtskonzert mit Alter Musik wurden sie von tatkräftigen Besuchern über die alte Seilanlage bedient – denkmalgerecht selbstverständlich.
Dezember 2024, Wolfram Quellmalz