AuditivVokal kann noch von den Früchten eigener Arbeit profitieren, die Zukunft enthält Fragezeichen
Das Vokalensemble AuditivVokal gehört seit 2007 zu den innovativsten und aktivsten der Landeshauptstadt. In seinen Programmen mit dem Schwerpunkt der Gegenwartsmusik vermittelt es in Konzerten und über soziale Medien nicht nur die zeitgenössische Musik, es initiiert immer wieder Projekte und schlägt Brücken zwischen beteiligten Menschen oder zur Musik früherer Jahrhunderte. So blieb AuditivVokal auch in der Pandemiezeit präsent, öffnet Experimentalräume, sorgte für immer neue Klangeindrücke, und sei es bei der »harmonischen Zerlegung« von weihnachtlichen Anton-Günther-Liedern.

Olaf Katzer, Gründer und Leiter von AuditivVokal, wurde für seine Tätigkeit mehrfach ausgezeichnet, wie vor gut einem Jahr mit dem Sächsischen Lehrpreis. Für die Zukunft sehen er und AuditivVokal keineswegs »schwarz«, doch die aktuellen Haushaltslagen und fehlende Förderzusagen erschweren das Tätigsein. Aktuell kann AuditivVokal noch auf Projekte umsetzen, die in den letzten zwei Jahren vorbereitet und aufgebaut wurden, doch bereits in der zweiten Jahreshälfte gibt es statt sicherer Konzerttermine Fragezeichen. Hürden sieht Olaf Katzer für das Management seines Ensembles, auch in der Bürokratie, die bewältigt werden muß, damit AuditivVokal wirksam arbeiten, Projekte initiieren und durchführen kann. Das Ensemble setzt sich etwa zur Hälfte aus freien Musikern und Studenten zusammen. Katzers Sorge gilt vor allem den Freischaffenden und deren Durchhaltevermögen, weil sie mit ihrer Erfahrung essentiell sind für das Ensemble und die Arbeit in der Organisation wesentlich tragen. In den letzten Jahren hat AuditivVokal eine solide Grundbasis geschaffen, deren Stamm nun aber bedroht ist, wenn sich der Personenkreis verkleinern sollte. Das Ziel liegt also darin, die aufgebaute Expertise zu erhalten.
Am Sonntag lud AuditivVokal zu einem Neujahrsempfang in seine Räume in der Könneritzstraße. Immerhin fand dies eine beträchtliche Resonanz: sowohl die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch als auch Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch waren neben zahlreichen anderen der Einladung gefolgt. Mit Katrin Bicher, Fachreferentin für den Bereich Tonträger und Musikmonographien an der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden war eine wichtige Partnerin vertreten, denn die SLUB archiviert und bewahrt nicht nur ein kulturelles Erbe der Vergangenheit, sondern der Gegenwart und unterstützt dessen Zugänglichkeit und Verbreitung. Neben der Sammlung von Papieren (nicht nur Noten) und Audiodateien gehören dazu jegliche Ephemera, betonte Bicher, also auch Programmhefte und Begleitmaterial.

Umrahmt wurde der Empfang mit Musik von John Cage, Friedrich Goldmann und Felix Mendelssohn. Naheliegend ist die Neue Musik oft die experimentellste und überschreitet Grenzen zu »Performances«, sei es mit Bildern oder Tanz. Einen Ein- bzw. Ausblick dazu gab es durch Prof. Wilfried Jentzsch. Einst Kruzianer, befaßte er sich früh mit elektronischer Musik, studierte unter anderem bei Iannis Xenakis in Paris. Mittlerweile hat er den »elektronischen Zugang« noch um das Element des Visuellen erweitert, denn die Darstellung des Imaginären möchte er in jeder Hinsicht in eine Klangraumerweiterung einbeziehen. Einen Einblick gab es zunächst in drei Videosequenzen, die zu sehen waren, zwei Uraufführungen (»Chant« und »Imaginäre Landschaften«) sind für das kommende Jahr geplant – oder erhofft.
Für die nahe Zukunft gibt es konkrete Pläne und Termine. Zunächst kehrt AuditivVokal ins Leonhardi-Museum zurück. Hier fanden 2007 und 2008 einige der ersten Konzerte des Ensembles statt. Diesmal sollen »Positive Spaces«, inspiriert vom koreanischen Maler Lee Ufan (»Ein Schlüssel für eine friedliche Zukunft liegt in einem weiten Horizont«) einen optimistischen Ausblick geben. Neben Werken der etablierten Komponisten Gerhard Stäbler und Kunsu Shim steht eine Uraufführung von René C. Hirschfeld auf dem Programm, das als musikalischer Dialog angelegt ist.
Im Februar ist AuditivVokal in der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz zu Gast (»Chemnitzer Klangbrücken«, 4. Februar), im März trifft sich das Ensemble im Kulturpalast mit der Dresdner Philharmonie bei Olivier Messiaen und György Ligeti. Davor ist eine CD-Produktion geplant, im April und Mai geht es nach Freiberg (Arvo Pärt »Passio«) und Magdeburg (verschiedene Termine).
7. Januar 2025, Wolfram Quellmalz
»Positive Spaces«, Neujahrskonzert von AuditivVokal, 14. Januar, 20:00 Uhr, Leonhardi-Museum https://www.auditivvokal.de/