Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle
Die Zusammenarbeit der Sächsischen Staatskapelle mit dem Dirigenten Alessandro De Marchi währt schon lang. Ob Händel, Mozart oder Rossini in der Oper oder Konzerte – man kennt sich mittlerweile auch schon wieder Jahrzehnte. Insofern war der zweite Aufführungsabend am Donnerstag in der Semperoper ein kleines Jubiläum bzw. die Feier dieser Partnerschaft. Sie zeigte nicht nur verschiedene Musik(en) und Stile, sondern ganz unterschiedliche Varianten der Rollenverteilungen. Denn nicht nur Alessandro De Marchi wechselte zwischen Dirigentenpult und Cembalo seine Leitungsposition, auch die Staatskapelle tauschte die Führungsspitzen und Solisten neben Konzertmeister Robert Lis beständig mit dem sich wandelnden Repertoire.

Von Ottorino Respighi finden gerade die »Vögel«, »Brunnen«, »Pinien« und »Feste« immer wieder ins Konzertprogramm, doch der Italiener hat noch weitere Bilder vertont. »Trittico botticelliano« nach Gemälden Sandro Botticellis holte zwischen ersten und zweiten Geigen (Holger Grohs), viel rückwärtigem Bläserwerk sowie Klavier und Celesta nicht nur zauberisches Zuckerwerk auf die Bühne, sondern knüpfte einen nicht abreißenden Reigen von Stimmen zu einem dichten Concerto-grosso-Gewebe – imaginierte Bildbetrachtung zu Orangenhainen, Jahreszeiten und (doch wieder) Vögeln inclusive. Dabei verließ er durchaus die filigranen Beschreibungen und nutzte fast wagnersatte Schattierungen.
Trotzdem ist solches Zuckerbäckerwerk vielleicht Geschmackssache. Wer daran weniger Freude fand und es hinsichtlich motivischer Verarbeitung konkreter mochte, wurde aber auch »bedient«: in zwei Fagottkonzerten Antonio Vivaldis durfte Joachim Hans, Solo-Fagottist des Orchesters, seine Eloquenz und Gesanglichkeit unter Beweis stellen, und das mühelos! Hatte sein Kollege bei Respighi noch eine kurze Einleitung gespielt, führte Joachim Hans jetzt die Vielseitigkeit seines Instruments vor. Beeindruckte das Concerto Es-Dur (RV 483) mit einem Sonaten-Mittelsatz und Koloraturen im Finale, zeigte sich jenes in Es-Dur (RV 483) deutlich dramatischer und kehrte den Opernkomponisten Vivaldi heraus.
Interessant blieb, was »nebenher« passierte. Daß Thomas Meining (Stellvertretender Erster Konzertmeister) eine Führungsstimme übernimmt, ist man gewohnt, doch auch unter den Cellisten gab es zahlreiche Wechsel. So überließ Solo-Cellist Friedwart Christian Dittmann nicht nur Kollegen wie Matthias Wilde ihre Anteile, Dawoon Kim, jüngster Tutti-Zugang der Cellistengruppe, durfte sich nicht nur einbringen, sondern später sogar die Continuo-Rolle übernehmen.
Bei Igor Strawinskys Konzert für Kammerorchester »Dumbarton Oaks« (Es-Dur) fanden Streicher und Bläser nicht nur zu einer kompakten Aufstellung, sondern setzten diese in pointiertem Klang um. Wobei Alessandro De Marchi hier gleich mehrfach eine Brücke schlug, denn Strawinsky hat die Solisten wiederum im Concerto-grosso-Stil eingesetzt (blieb dabei aber ausgesprochen konzentriert), andererseits bezog er sich auch auf Bachs Brandenburgische Konzerte.
Und genau jenes daraus, Nr. 3 (G Dur, BWV 1048), auf das Strawinsky »angespielt« hatte, wählten Alessandro De Marchi und die Kapelle zum Abschluß, wobei sie auf den Einsatz zweier Cembali vertrauten und Dawoon Kim, im Adagio den schlanken Continuo mit ihrem Violoncello fast allein stützte. Die Ecksätze waren – stehend gespielt – um so mehr von Esprit getragen gewesen. Alessandro De Marchi erwies sich nicht nur als ein Meister hinsichtlich flexibler, angepaßter Besetzungen, sondern auch bei der dynamischen Gestaltung, Steigerungen etwa, der rhythmischen Prägnanz – nun der ganzen Cellogruppe (à trois) – oder an Eck- und Wendepunkten, an denen Motive fortgesponnen oder abgelöst wurden. Statt effektvoller Höhepunkte blieb der Konzertkorpus in gediegener Qualität erhalten.
Da gab Alessandro De Marchi für den Applaus des Publikums schließlich gern noch etwas zu – man werde es erkennen, versprach er. Vivaldis »Winter« hätte vielleicht auch gepaßt, doch er wählte das Air aus Bachs Orchestersuite D-Dur (BWV 1068).
31. Januar 2025, Wolfram Quellmalz