Mehr Friedensschlüsse und Hochzeiten bitte!

Collegium 1704 brennt höfisches Feuerwerk ab

Ob Händel, Francœur oder Schütz – Hofkomponisten oder solche, die Aufträge des Hofes erhielten, fanden ihr Haupttätigkeitsfeld meist in ernsthaften Gattungen wie Oper, Ballett oder geistlicher Musik. Doch die königlichen Tafelmusiken, an sich Gelegenheitskompositionen, sorgten nicht nur für eine Aufbesserung der Kasse, sondern auch für Aufmerksamkeit. Teilweise enorme Aufmerksamkeit. So enorm, daß zur öffentlichen, zahlungspflichtigen Generalprobe von Händels Suite »Royal Fireworks« die Londoner in derart großer Zahl (12.000!) zum Aufführungsort in den Vauxhall Gardens strömten, daß sich auf der London Bridge ein stundenlanger Stau bildete.

Feuerwerk auf der Themse am 15. Mai 1749 anlässlich des Aachener Friedens, kolorierter Kupferstich von 1749, Bildquelle: Wikimedia commons

Nicht stundenlang, aber immerhin einen kleinen Stau gab es am Dienstag vor der Dresdner Annenkirche, wo sich eine lange Schlange gebildet hatte (die verfügbaren Brücken hatten die Besucher vorab erfolgreich überquert). Lange vor Beginn war kein Platz mehr frei im Kirchenschiff, die Emporen füllten sich mehr und mehr, und das, obwohl weder das »Weihnachtsoratorium« noch »Messiah« auf dem Programm stand. Immerhin aber die Feuerwerksmusik sowie eine Suite von François Francœur. Diesen, vor einiger Zeit noch unbekannt, hatte Ensembleleiter Václav Luks den Besuchern des Canaletto-Stadtfestes im August bereits mit der Dresdner Philharmonie entdeckt, nun gab es ihn noch einmal mit dem Originalklangensemble Collegium 1704 – und er erwies sich als Höhepunkt in der Programmmitte!

Zwar ohne Chor und Sängersolisten, aber mit um so mehr Instrumentalisten war das Collegium angereist. Nicht nur die Streicher waren in einer Zahl vertreten, die den königlichen Kapellen in Paris und London Ehre gemacht hätte, neben je zwei Flöten und Fagotten kamen ebenso vier (!) Oboen und Trompeten sowie drei Hörner zum Einsatz. Wann hat es zuletzt so geblitzt, geblinkt und gefunkelt? Und nicht nur das: neben den Kesselpauken, die manchen Satz feuerwerksmäßig ausstatteten, führte Michael Metzler vor, was der »Schlagzeuger« in einem Barockensemble alles neben der Trommel bedienen darf: Kastagnetten, Tamburin, Klanghölzer, Glöckchen und ein Blasrohr als Windmaschine – und dann erklangen diese Instrumente noch in Kombination.

Keine Oper also, kein Ballett, aber eine absolut effektvolle Musik! Händel durfte mit zwei Suiten den Abend einrahmen und mit der ersten der Wassermusiken (Suite F-Dur, HWV 348) beginnen. Schon hier konnte man nicht nur dem Kolorit und den kunstvollen Tanzformen der Sätze nachspüren, es ließ sich fast szenisch vor dem geistigen Auge imaginieren, wie die königliche Barke zu Beginn ablegte (Ouverture) und wieder anlegte (Andante). Zwischen diesen Ecksätzen offenbarte sich mehr als ein munteres Treiben, vielmehr ein Schaulaufen und -spielen der Oboen und Blechbläser, wobei solistische Einzelleistungen ebenso herausragten, wie die Hörner quasi aus dem Verborgenen einen schimmernden Hintergrundhall gestalteten. Vaclav Luks nutzte die Palette der möglichen Farben und Glanzstärken weidlich aus, bewahrte dabei aber stets den höfisch-gediegenen Charakter, der sich mit den geschlossenen Streichern ebenso ergab wie mit der Gruppe der Bläser, die sich homogen und geschmeidig fügten.

Wer bereits mehr Hörerfahrung mitbrachte, fand vielleicht, daß Händels Suiten einen geschlosseneren Eindruck erweckten als François Francœur Symphonies du festin royal de monseigneur le comte d’Artois. Denn das Collegium 1704 machte sich hier die damals gängige Praxis zu eigen, nicht nur vorhandene Musik höchst virtuos neu in Tanzsätzen zu verarbeiten, sondern aus dieser Vielzahl eine individuelle Suite zu arrangieren. Im betreffenden Fall war der historische Anlaß einer Hochzeit gewesen. Daß es damals feurig und temperamentvoll zugegangen sein muß, durften Besucher aus der Musik schließen, die ohne ein zusätzliches Feuerwerk lustvoll funkelte!

Nicht zu vergessen die schönen Traversflöten, die – hinten sitzend und für die meisten nicht sichtbar – mal die Bläserstimmen zwischen Oboen und Hörnern banden, dann wieder mit Vogelgesang hervortraten. Georg Friedrich Händels Feuerwerksmusik, nach dem Frieden von Aachen geschrieben, vollzog das Feuerwerk sozusagen in Abwesenheit desselben, aber mühelos mit glitzernden Hörnern (Ouverture), die sogleich ein goldenes Echo der Streicher bildeten (Bourée). Daß kaum etwas süßer ist als ein Friedensschluß, zeigte »La paix«. Nach einer fröhlichen »Réjouissance« (Jubel nach dem Frieden) fanden die Royal Fireworks einen entspannten Abschluß im Minuet.

12. Februar 2025, Wolfram Quellmalz

Nächstes Konzert der Reihe:

»Die Bach-Dynastie«, Werke von Johann Sebastian, Johann Ludwig und Johann Bernhard Bach, 25. März, 19:00 Uhr Annenkirche Dresden

CD-Tip: Václav Luks und das Collegium 1704 haben Händels Feuerwerksmusik und alle Wassermusik-Suiten (HWV348 bis 350) aufgenommen. »Water & Fire« ist eben bei Accent erschienen.

Hinterlasse einen Kommentar