Kammermusiker des Collegium 1704 in Prag
Von Dresden ist es kaum mehr als ein Katzensprung, und man ist in Prag, kann tags die Ausstellungen von Alfons Mucha, »Die Welt von Banksy« oder eines der Musikmuseen (Smetana, Dvořák) besuchen und abends die Stadt erkunden. Im zehnten Bezirk gibt es im Vzlet viel Art déco – das Gebäude wurde einst als Kino für den ortsansässigen Turnverein gebaut. Heute bietet das revitalisierte Veranstaltungshaus verschiedene Formate, darunter eine Reihe mit Kammerkonzerten des Collegium 1704, dessen Orchester und Chor regelmäßig nach Dresden in die Annenkirche kommen.

»Il basso mondo« hieß es am Mittwoch, also die Welt der Bässe bzw. Tiefen. Hana Fleková (Viola da gamba), Libor Mašek (Violoncello), Jan Krejča und Pablo Kornfeld zeigten dabei auf ihren Tauchgängen, wie vielfältig und unterschiedlich diese Tiefen klingen können, nicht nur, weil Libor Mašek mal im Basso continuo spielte und dann eine Solostimme übernahm. Jan Krejča (Laute und Barockgitarre) sowie Pablo Kornfeld (Cembalo und Orgel) trugen an wechselnden Instrumenten ebenso zu den Schattierungen bei.
In der ersten Hälfte spielten die vier Werke von Komponisten, die dem Barockmusikfreund an sich wohlbekannt sind, der von Arcangelo Corelli ist noch über diesen Freundeskreis hinaus geläufig. Einerseits, weil er mit Georg Friedrich Händel bekannt war uns als dessen Konzertmeister spielte, weil er zur Verbreitung der La-Folia-Variationen beitrug, die bis heute beliebt sind, andererseits hat er den Stil der Concerti grossi geprägt. Doch Corelli war ebenso vielseitig wie Händel, und so erklangen zwei seiner Sonaten (Nr. 11 und 3) aus Opus 5. Hana Fleková, die an diesem Abend ein wenig in der Hauptrolle blieb, führte die Vorzüge ihres Instruments vor, und die lagen eindeutig im gesanglichen, das der menschlichen Stimme sehr nahe kam. Schon das Preludio entsprach im Grunde einer Arie, der die Begleitung an der Orgel wohltat. In den schnellen Sätzen zeigte die Gambe aber, nun von Cembalo und Gitarre umrankt, ebenso ihre virtuosen Fähigkeiten und steigerte sich bis in die Höhen von Allegro und Gavotte.
Zwischen die beiden Sonaten von Corelli hatten die Musiker jene in C-Dur (Opus 5 Nr. 3) von Francesco Geminiani gesetzt, bei der das Violoncello im Vordergrund stand. Libor Mašek »konterte« die wunderbare Gesanglichkeit seiner Kollegin mit einem höchst emotionalen Ton, die sich im dritten Satz »Affetuoso« um ein paar Grade anhob und an Schönheit gewann.

Zwar erklang Georg Friedrich Händel nicht an diesem Abend, blieb als Kollege, Wegbereiter und Mitstreiter aber im Hintergrund. Selbst bei Josef Václav (auch Wenceslaus Joseph) Spourny. Über diesen ist kaum etwas bekannt, das Geburtsdatum vage, zudem wird er in der Literatur zuweilen mit dem Bassisten Chretien (?) Spourny verwechselt, der ebenso in Paris lebte. Seine Noten sind immerhin in einer Sammlung überliefert, zu der ein weiterer Händel-Zeitgenosse, Giovanni Bononcini (in London ein Konkurrent) beigetragen hat. Die Sonate Nr. 4 aus Opus 4, eigentlich für zwei Violoncelli, stellte Gambe und Cello einmal direkt gegenüber, was zuweilen, wenn beide die gleiche Melodie spielten, für Schwebung sorgte. Sonst unterschieden sich beide vor allem in ihrer Individualität, so wie zwei Altistinnen oder Tenöre, wobei das Violoncello manchmal in die höhere Lagen der Oberstimmen wechselte und die Viola da Gamba überflügelte. Im Largo waren beide in einem wunderbaren Duett wieder vereint.
Auch Jean-Baptiste Barrière war ein Virtuose auf dem Violoncello. Seine Triosonate Nr. 2 in D-Dur stand am Ende eines abwechslungsreichen Konzerts, das mit dem Adagio und dem Largo (welches zusätzlich die Bezeichnung Aria trägt) den Gesang mit einer tiefen Ruhe verband, in der Giga aber die Belebung der versteckten Ciacona bot.

Für die beeindruckende Kombination von feinfühligem Ausdruck und virtuoser Darstellung gab es viel Beifall. Es war eines der Konzerte, bei denen man sich fragen konnte, welcher der schönste Satz gewesen war. Barrière oder Spourny? Doch die Zugabe lag vielleicht noch weiter vorn, denn die Musiker bedankten sich mit dem vielleicht schönsten Duett, dem Satz aus einer Triosonate von Giovanni Benedetto Platti, das sich fast nach Oper anhörte – Piatti war auch Oboist, spielte also eines der atemvollsten, stimmlichsten Instrumente.
20. Februar 2025, Wolfram Quellmalz
Nächstes Konzert der Reihe: Am 13. März, 19:30 Uhr spielt das Calmus Consort im Vzlet Prag Werke des diesmal abwesende Georg Friedrich Händel sowie von Johann Adolf Hasse, Christoph Graupner und – Achtung! Entdeckerpotential! – Matthäus Nikolaus Stulick.