Violinquartett im Haus Glaser
Das Projekt entstand ebenso aus einer musikalischen Auseinandersetzung wie aus einer persönlichen mit Fragen und Problemen der Zeit, dem Wunsch nach Frieden. Und der ist mit dem inneren Frieden eines jeden untrennbar verbunden. So in etwa war die Idee, aus der heraus ein Programm mit Musik und Texten entstand, das Margret Baumgartl, Franziska Graefe, Elisabeth Starke und Adéla Drechsel, die sich aus dem Dresdner Barockorchester und der Dresdner Hofmusik e. V. kennen, das nicht allein eine Aufführung oder Präsentation war, sondern am Freitagabend vergangener Woche im Haus Glaser zur (An)teilnahme einlud.
»Frieden – höher als alle Vernunft« – unter diesem Titel erklang nicht allein ruhige, meditative Musik der Einkehr, sondern durchaus auf- und anregende. Von Georg Philipp Telemann, Béla Bartók und Jean-Marie Leclair ging es durch die Zeit bis zum zeitgenössischen Komponisten Matthieu Stefanelli und dann wieder in umgekehrter Folge zurück. Hildegard von Bingens Antifona »O virtus sapientiae« (Oh Kraft der Weisheit) rahmte die Stücke als einzige Wiederholung ein.

Zwischen die Werke hatten die vier Musikerinnen Gedanken von Laotse, Franz von Assisi und anderen gesetzt, die sie abwechselnd verlasen. Das war ein wenig viel, denn jeder der nicht eben kurzen Texte hätte allein Aufmerksamkeit verdient – wäre es eine Andacht gewesen, hätte man sich wohl auf ein oder zwei davon konzentriert. Insofern waren die Lesungen etwas lang, natürlich fanden gerade sich darin viele wertvolle Gedanken. Immer wieder führte dies auf den Frieden mit sich selbst, weil Frieden eben nicht »kommt« oder nur erbeten werden kann, sondern mit dem Befinden verbunden ist. Die Worte setzten aber auch anderes mit dem Frieden ins Verhältnis, das Gefühl der Angst zum Beispiel, Dunkelheit, Wut, Scham. Interessante Denkanstöße gab der Text Marianne Williamsons, der auf die Furcht vor zu viel Licht, zu machtvoll zu sein, zielte. Noch mehr Anregung enthielt das »Gebet« der amerikanischen Künstlerin Glenda Green, die ein »Fordere uns, Gott« an den Anfang jedes Verses stellt, damit Träume zum Beispiel nicht zu leicht in Erfüllung gehen. Wer sicher landet, ist vielleicht zu eng am Ufer geblieben (?).
Der Vortrag der Texte umfaßte in Anzahl und Länge durchaus die Hälfte des Abends, die andere gehörte jedoch der Musik. Und die kam mit den vier Violinen bei Georg Philipp Telemann aus ungeahnter Tiefe (Largo). Sein Concerto G-Dur fand aber bald in einen lebhaften, tänzerischen Stil (Allegro), während das Vivace sogar einer Battaglia glich. Insgesamt zehn der Violinduos von Béla Bartók spielten die vier Musikerinnen – in wechselnden Besetzungen – in zwei Abteilungen. Die aus der Volksmusik gewonnen Themen und Ideen umfaßten traurige, klagende Melodien ebenso wie traumhaft verschleierte oder humorvolle.
Am raffiniertesten schienen die beiden Sonaten von Jean-Marie Leclair. Einerseits, weil sich die Stimmen hier am meisten gegenseitig anzuregen schienen, andererseits bewiesen sie die größte und phantasievollste Eigenständigkeit. Dabei band sie Leclair dennoch in kurzen einstimmigen Passagen zu einem Ein- und Gleichklang. Verblüffend war, daß manches davon an Bartók »erinnerte« (der ja viel später geboren war) – umgekehrt stellte sich dieser Effekt nicht ein.
Auch Matthieu Stefanellis Werk (wie alle an diesem Abend mit historischen Geigen und Bögen gespielt) konnte das Interesse wecken und aufrecht erhalten. Changierend begann »Aurore« (Morgenröte), aus der sich aber bald figurative Elemente bildeten. »Prairie« (Prärie) und »Brise« (Brise) enthielten kleine Wellenmotive, ohne daß sich die Sätze aber als reine Minimal Music offenbarten. In beiden Fällen gab ihnen der Komponist einen betonten Ausklang mit.
Hatten die Musikerinnen bei Leclair mit dessen Raffinnesse betört, gelang ihnen mit Hildegard von Bingens Antifona »O virtus sapientiae« die innigste Berührung. Das stehende D auf den vier Violinen, die sich dafür im Raum verteilt hatten, schien zu schweben, wie wir es von der Musik Arvo Pärts kennen. Im Verlauf und dem von Adela Drechsel gesungenen Text zeigte sich das Werk aber als solches seiner Autorin und seiner Zeit. In der Wiederholung durfte das Publikum – der kleine Saal im Haus Glaser war bestens besucht – auf dieses D einstimmen.
8. März 2025, Wolfram Quellmalz
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