Dresdner Philharmonie mit einem kleinen Wagner-Abend, der große Momente enthielt
Nicht nur Wagners Opern, auch manche Konzertaufführung hat ein Vorspiel. In diesem Fall war die Vorfreude groß gewesen, als die Dresdner Philharmonie nach ihrem großartigen Ring-Projekt einen konzertanten »Tristan« ankündigte. Als der ehemalige Chefdirigent Marek Janowski jedoch plötzlich sämtliche geplanten Konzerte mit dem Orchester absagte und die Möglichkeitstüren der Zukunft zuwarf, folgte zunächst eine Absage von »Tristan und Isolde«. Letztlich fand man einen attraktiven Kompromiß: nicht die ganze Oper, sondern den zweiten Aufzug plus zwei Ausschnitte aus dem ersten und dritten sollte es geben. Mit Pablo Heras-Casado hatte man einen in Bayreuth gefeierten Wagner-Experten gefunden, der allerdings in der vergangenen Woche krankheitsbedingt ziemlich kurzfristig absagen mußte. Als wäre dies nicht genug, kam am Freitag die Absage von Anja Kampe hinzu, welche als Isolde besetzt war. Immerhin: hier sprang mit Catherine Foster mindestens eine gleichwertige Sopranistin ein. Sie hatte schon in Marek Janowskis fulminantem »Ring« mitgewirkt (Brünnhilde), als Isolde war sie bereits in Bayreuth zu erleben sowie (das als Tip nebenbei, denn es kommt demnächst wieder) in Cottbus.

Ohne dem Dirigenten John Fiore etwas absprechen zu wollen, war die Lage bei ihm doch eine etwas andere. Zwar ist er als Maestro souverän, aber doch mehr ein Routinier und kein Wagner-Experte. Vor allem: Die Dresdner Philharmonie ist ja kein Opernorchester, das es gewohnt ist, täglich Theater zu spielen und kurzfristige Dirigentenwechsel hinzunehmen. Wie würde sie die Situation verkraften?
Weitgehend in Ring-Besetzung um Konzertmeister Wolfgang Hentrich erstaunlich gut bzw. wacker. Daß sich letztlich nicht jene packende atmosphärische Intensität entwickelte wie im »Ring«, bleibt festzustellen, ist als Maßstab aber vielleicht etwas ungerecht. John Fiore hatte sicherlich auch weniger Möglichkeiten, an Details zu feilen, konzentrierte sich auf den großen Spannungsbogen, arbeitete gerade dynamische Verläufe heraus. Fiore bewahrte die Ruhe, sprich Tempi, so daß sich auf der Bühne etwas vollziehen konnte. Und er hatte mit Catherine Foster glücklicherweise entschieden, den »Liebestod« des dritten Aufzuges, mit dem die Aufführung endete, nicht instrumental zu präsentieren, wie unverständlicherweise geplant gewesen war, sondern ihn vortragen zu lassen.

Auch für die Sänger dürfte es nicht so einfache gewesen sein. Nur ein Ausschnitt, aber keine Aktion auf der Bühne, entsprechend weniger Probenarbeit. Klar, von Profis kann man erwarten, daß sie sich in diese Situation finden, doch sowohl Catherine Foster (die noch dazu binnen weniger Stunden einsprang) als auch Stuart Skelton als Tristan brauchten jeweils ein wenig, um in die Rolle zu kommen. Gerade Stuart Skelton blieb am linken Bühnenrand etwas matt, entwickelte zwar Ausdruck, aber seine Präsenz blieb gegenüber Isolde deutlich zurück. Selbst Catherine Foster merkte man an, daß sie erst »in Fahrt« kommen mußte. Immer dann, wenn sie bei Piani oder mit wenig Begleitung allein war, fehlte es an der gewohnten Tragfähigkeit, was sie aber im Verlauf und mit emotionalen Spitzen ausglich.
Unbeeindruckt von allen Fährnissen und überragend war die Brangäne von Marina Prudenskaya, die über einen wohlig-behütenden Mezzosopran verfügt und damit als Isoldes Dienerin prädestiniert ist. Mühelos und unangestrengt setzte sich noch von der Orgelempore über das Orchester hinweg, als Brangäne das Liebespaarvor der Rückkehr Markes warnen will. Dazu war sie, anders als Catherine Foster, bestechend verständlich.
In bestechender Form zeigte sich auch Georg Zeppenfeld als Marke, der frei und ohne Noten auftrat – ein Vorteil, den er spielerisch und sängerisch nutzen konnte – Markes Monolog gelang schlicht großartig! Daran muß das Lob für Sebastian Wartig sofort angeschlossen, der als Melot zwar nur kurze Auftritte hatte, Tristans Freund aber in der zugespitzten Situation des Stückes (der Konflikt mit Tristan führt zum Zweikampf mit tödlichen Folgen) vor Wut beben ließ und zu jenen Momenten beitrug, in denen sich doch eine fast greifbare Spannung aufbaute.

Was natürlich ohne Widerhall nicht funktioniert. Die Dresdner Philharmonie wandte ihre Opern- und Wagnererfahrung gekonnt an, sorgte in Szenen wie der genannten für einen subtilen Orchesterklang, mischte sich aber auch mit kantablen Solostimmen (Englischhorn: Isabell Kern) ein. Der Tristan-Monolog, den Stuart Skelton mit rollenpassendem Trotz zu einem kleinen Höhepunkt steigerte, leuchtete die Horngruppe – nicht nur hier – wunderbar aus. In der Stimmung bereiteten sie damit den Boden für das Liebesdutt »Oh sink hernieder« und offenbarten, wie trügerisch dieses letztlich ist.
10. März 2025, Wolfram Quellmalz
Am Sonnabend noch einmal: Richard Wagner, »Tristan und Isolde«, konzertante Aufführung des zweiten Aufzuges, außerdem Vorspiel des ersten sowie »Liebestod« aus dem dritten, mit: Dresdner Philharmonie, John Fiore (Musikalische Leitung), Catherine Foster (Isolde), Marina Prudenskaya (Brangäne), Stuart Skelton (Tristan), Georg Zeppenfeld (König Marke), Sebastian Wartig (Melot)