Wenn der Sänger zum Kunstwerk wird

Liederabend »The art of Sir Bryn Terfel« in Hamburg

Der Waliser Baßbariton Bryn Terfel ist spätestens seit dem Gewinn des Cardiff-Wettbewerbes 1989 einer der weltweit gefragtesten Sänger. Ob Salzburger Festspiele, Wiener Staatsoper, Royal Opera House der Metropolitan Opera – Terfel bereichert nicht nur mit einem Repertoire von Donizetti bis Wagner (wobei er bei letzterem einen Schwerpunkt setzt), sondern pflegt außerdem besonders walisisches Liedgut. Und er ist ein Entertainer – eine Verbindung, die ihn unter anderem schon zwei Einladungen zur Last Night of the Proms eintrug. Der Commander des Order of the British Empire sang aber auch bei der Krönung von Charles III. In Dresden war er bereits mehrfach zu erleben, so bei den ersten Auflagen des Klassik Open Air mit Barbara Krieger vor der Frauenkirche sowie mit einem Liederabend 2017 und in einer konzertanten »Faust«-Aufführung (Berlioz) 2018 bei den Dresdner Musikfestspielen – viel zu lange her!

Immer dem Publikum zugewandt: Sir Bryn Terfel, Photo: NMB

Nun kam der Waliser mit seiner Frau, der Harfenistin Hannah Stone, an die Hamburger Staatsoper. Aber nicht in einer Rolle, sondern für einen Liederabend. Wobei das genaugenommen doch eine Rolle war – als Bryn Terfel. Denn an diesem Abend präsentierte er nicht nur eine teils recht bunte Vielfalt des Liedgesangs, sondern auch sich selbst. Anders als im klassischen, zyklisch angelegten Liederabend, bei dem der Sänger quasi hinter das Lied zurücktritt, trat Bryn Terfel hier nicht nur vor das Klavier, sondern nahm die Bühne für sich ein, blieb ganz klar der Opernsänger, der einen Liederabend gab – und die Hamburger gleich einlud, ja, sie aufforderte, die Falstaff-Inszenierung mit seinen Kollegen Christopher Purves (Falstaff) und Simon Keenlyside (Ford) zu besuchen (ab April).

Terfel selbst begann seinen Liederreigen bei Gerald Raphael Finzi, einem kaum noch bekannten Komponisten, dessen Liedzyklus »Let Us Garlands Bring« (1942) immerhin einige Beachtung und Wertschätzung erfahren hat und es wert ist, wieder aufgeführt zu werden. Nebenbei legten die fünf Lieder eine Seite offen, die zu Terfels Stärken zählt: englische Texte und Erzählungen, pointiert, mit Abstand vorgetragen (wie aus der Erinnerung) Für diese Textauseinandersetzung war der Waliser 2006 bereits mit dem Shakespeare-Preis der Toepfer Stiftung Hamburg ausgezeichnet worden.

Einmalig: »The Art of Sir Bryn Terfel«, links Annabel Thwaite am Flügel, rechts Hannah Stone, Photo: NMB

Wenn es schon englisch wurde, durfte das Walisisch nicht fehlen – mit sieben Liedern, Songs for Ivor Novello und walisischen Volksliedern, vertiefte sich Bryn Terfel darin und moderierte – als Entertainer – die Stück bzw. erklärte den Inhalt. Freilich wäre es schön gewesen, den Text im Programmheft lesen zu können. Selbst bei Schubert-Abenden ist das ein Standard, und wer von uns spricht schon Gälisch? The art Sir Bryn Terfel besteht darin, nicht nur mit präziser Diktion und Rhythmik vorzutragen, sondern Texte – meist eher nebenbei – mit Wehmut auszustatten. »Come away« will nicht die Liebste anlocken, es richtet sich an den Tod – mit Schalk (»I am slain by a fair cruel maid« / »Mich erschlägt ein holdseliges Weib« [eine grausame Magd]). Wie anders sollten später die Schubert-Lieder geraten!

Terfel hat keine Scheu, sich den Genregrenzen zu nähern, sie einzubeziehen und zu dehnen. Lied, Arie, SongOper und Volkslied verschmelzen und nehmen ein paar Perlen aus dem Musical bzw. aus Hollywood auf.

Begleitet wurde Bryn Terfel von Annabel Thwaite (Klavier) und Hannah Stone, die an der Harfe auch ein paar Solostücke incl. der Zugabe spielte. Verblüffend, wie sie in Thomas L. Thomas‘ »Bugeilil’r Gewnith Gwyn« die Melodie von einem Wellenspiel begleitete!

Hinter dem Flügel ist auf der Bühne: Sir Bryn Terfel, Photo: NMB

Mit Schubert-Liedern, »Liebesbotschaft« (D 957) und »Auf dem Wasser zu singen« (D 774) formte Terfel einen klassischen Kern. Nicht erst bei »Aller Seelen« (D 343), das er geradezu andächtig ausbreitete, störte der Applaus, der nicht nur immer wieder zwischendurch einfiel, sondern explosionsartig die ausklingenden Töne zerstörte! Dabei warenes auch hier die leiseren, zarteren, nachdenklichen, die besonders berührten. Claude Debussys »Nuit d’etoiles« (Sternennacht) und Schumanns »Mein schöner Stern« waren es diesmal, Wagners »Lied an den Abendstern, das folgte, schloß den Kreis weniger, als daß es allein Leuchtkraft entwickelte und noch einmal den Opernsänger präsentierte, der in jedem Stück zu spüren war.

Drei Zugaben werden es, auch für Harfe, mit dem launigen »If I were a rich man« (»Wenn ich einmal reich wär‘«) aus dem Musical »Fiddler on the Roof« (deutscher Titel: »Anatevka«) heizte Bryn Terfel das Publikum eher an, als sich zu verabschieden. Kurz begann er – auf Zuruf – eine Wotan-Passage , bevor »I wonder as I wonder« von John Jacob Niles den Abend beschloß.

24. März 2025, Wolfram Quellmalz

CD-Tip: Bryn Terfel »Sea Songs«, Shanties und Lieder über das Meer und die Seefahrt, mit Gästen wie Simon Keenlyside, Sting, und Hannah Stone, erschienen bei Deutsche Grammophone

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