Martin Schmeding an der Silbermann-Orgel der Dresdner Hofkirche
Der Lebenslauf von Martin Schmeding weist mit Dresden (Kreuzorganist 2002 bis 2004) und Leipzig (Lehrstuhl für Orgelliteratur an der Musikhochschule) mitteldeutsche Schwerpunkte aus, der vielfache Orgelpreisträger tritt aber weit über die Region hinaus in Erscheinung. Eine Beschränkung auf das (reichhaltige) mitteldeutsche Orgelœuvre war beim Konzert im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ am Mittwoch in der Katholischen Hofkirche also nicht zu erwarten. Vielmehr offenbarte Martin Schmeding im Reiz der Gegenüberstellung manche Vorbilder, aber auch Spielarten, die sich (vielleicht) einfach regional bzw. in den »Schulen« unterschiedlich entwickelt hatten.
Vor allem der erste Teil konnte damit nicht nur überzeugen, sondern geradezu prunken, offenbarten sich doch nicht nur in Dieterich Buxtehudes Präludium d-Moll (BuxWV 140) oder Nicolas de Grignys Tierce en taille aus dem Orgelbuch (Livre d’Orgue) jene Leichtigkeit, mit der die Renaissance ihre Künste öffnete. Bei Buxtehude »blätterte« Martin Schmeding das Präludium vom Subbaß bis in die Renaissanceflöten zart und weit auf (später bei Bach hatte der Baß eine viel fundamentalere Rolle), während in de Grignys »Tonübung« die Struktur weniger vorherrschte, als daß eine stimmungsvolle Farbe Gewicht gewann, wie man es gemeinhin französischen Kompositionen viel später als typisch unterstellt.
Melchior Schildt, von dem wenig Lebensdaten überliefert sind, beglückte die Hörergemeinde mit seiner Paduana Lachrymae nach John Dowland, für die Martin Schmeding nicht nur ein gemessenes Schreittempo fand, sondern sie versweise wandeln ließ – der vielleicht gemessenste Moment dieses Abends, großartig!
Bei Johann Sebastian Bach mußte man im Anschluß etwas umdenken, denn selbst seine Fantasie aus Fantasie und Fuge c-Moll (BWV 537) wies deutlich mehr Orientierung in der Struktur (oder einfach: Ordnung) auf, die Fuge sowieso. Wem der Zauber der Renaissance zu verblassen schien, der konnte jedoch einen Zugewinn an Erhabenheit in der Architektur vermerken.
Vor Überraschungen in der Gegenüberstellung schreckt Martin Schmeding sicherlich nicht zurück, was nicht zuletzt für Freiraum in der Interpretation sorgen dürfte. Wolfgang Amadé Mozarts kleine Stücke für eine Flötenuhr verleiten manchen Organisten, sie auch (nur) mit kleinerem Werk erklingen zu lassen. Das Adagio f-Moll ließ Martin Schmeding erst in der Kleinteiligkeit der Spielfiguren die Erwartungen erfüllen, fand im Ausklang aber einen beachtlichen Zuwachs an Volumen – eine Präsenz, die sich im Allegro F-Dur fortsetzte und einen beinahe lauthalsen Eindruck erweckte. In der Tat wuchs das Stück dabei, als wolle es den Impetus einer Beethoven-Sinfonie entwickeln.
Felix Mendelssohn ist bekanntlich ein großartiger Orgelvirtuose gewesen. Liest man die Konzertberichte über ihn, kann man eigentlich nur bedauern, ihn nicht selbst hören zu können. Die wenigen überlieferten Orgelwerke, etwa die Sonaten Opus 65, scheinen im Verhältnis doch fast gering. Martin Schmeding behalf sich daher mit einer eigenen Bearbeitung der Variations sérieuses d-Moll Opus 54. Das pianistische Stück auf die Orgel zu übertragen, verändert es natürlich immens, schon weil die Artikulation eine ganz andere ist. Das sich der Charakter zunächst von eher perkussiv auf fließend änderte, ging mit der Änderung des Instruments als logische Konsequenz einher. Allerdings überschlugen sich in den meist schnellen Variationen die Töne und führten zu einem verschwommenen Eindruck, dem nur die gemäßigteren Variationen (vor allem 14) entkamen. Hier allerdings, quasi als könnten sie sich frei entfalten, war der Zugewinn an Klang durch die Orgel wieder spürbar.
Die »Flut« einzudämmen gelang Martin Schmeding mit Johannes Brahms‘ Choralvorspiel »O Welt, ich muß Dich lassen«, dem er später als Zugabe noch »Schmücke dich, o liebe Seele« folgen ließ. Mit starken Konturen vor allem im ersten Choralvorspiel waren die Verse des Chorals wie herausgehoben und standen im starken Kontrast zur Begleitung. In der Zugabe fiel dies dann milder aus.
Als letzten Programmpunkt hatte Martin Schmeding die Passacaglia aus der Suite I e-Moll Opus 16 (»Den Manen Johann Sebastian Bachs«) von Max Reger gewählt. Sie verrät deutlich den Bezugspunkt der Passacaglia Johann Sebastian Bachs (aus BWV 582), schien aber freier und lichter. Während Bachs Original in Konzerten oft einen monumentalen Eindruck erweckt, führte Martin Schmeding bei Reger die Form zur Blüte.
10. April 2025, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Mittwoch spielt Isabelle Demmers im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ im Dresdner Kulturpalast. Am 25. April setzt Domorganist Sebastian Freitag seinen Bach-Zyklus fort.
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