In Liebe vereint

Cottbuser »Tristan« mit prominenten Gästen neu aufgelegt

Davon träumt wohl jedes Theater: mit eigenen Kräften und in Bayreuth erfahrenen Gästen eine große Wagner-Produktion am eigenen Haus umzusetzen. Das war dem Staatstheater Cottbus bereits vor zwei Jahren gelungen, als im Januar »Tristan und Isolde« Premiere feierte. Jetzt steht die Produktion wieder im Programm und ist Anfang Mai noch zweimal zu erleben.

Die Namen sind uns allzu bekannt: Isolde gehört zu den wichtigsten Rollen von Catherine Foster, erst vor einem Monat haben wir sie damit bei der Dresdner Philharmonie erlebt (konzertante Aufführung, unsere Rezension: https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/03/14/kalt-erwischt-heis-prasentiert/). Als Brünnhilde war sie in Dresden wie in Bayreuth. Bryan Register ist erfahren mit Helden in ihren verschiedensten Auslegungen von Andres (Bergs »Wozzeck«) bis SiegfriedTristan gehört seit langem in seinen Rollenkatalog. Und dann noch KS Christa Mayer als Brangäne – was will man mehr?

Warten auf Isolde: Kurwenal (Andreas Jäpel) und Tristan (Bryan Register), dazu ein Hirte (Hardy Brachmann), Photo: Staatstheater Cottbus, © Marlies Kross

Den Namen Stephan Märki darf man dabei nicht unterschlagen, denn der Intendant des Staatstheaters Cottbus hat diese Inszenierung realisiert, vom Budget mit den internationalen Gästen bis zur Regie. Die verlegt »Tristan« in den Weltraum, macht aus dem Segelschiff, mit dem Tristan Isolde zu König Marke bringt, ein Raumschiff (Bühne: Philipp Fürhofer). Das scheint zunächst wie eine effektvolle Modernisierung, erweist sich bei genauerem Hinsehen aber durchaus als textgetreu. Singt Isolde nicht in ihrem Schlußmonolog »… in dem tönenden Schall, in des Welt-Atems wehendem All – ertrinken, versinken – unbewußt – höchste Lust!«?

Doch um Effekt geht es hier gar nicht, denn das (T)raumschiff wird zur Folie, die eine ganze Geschichte trägt, eine Geschichte der ewigen Liebe, die für Tristan und Isolde über Jahre, Äonen, in Ewigkeit gilt. Und vielleicht hält – das Ende soll hier nicht verraten werden, aber zumindest, daß ein Happy-End für Tristan und Isolde möglich scheint.

Die Freundin warnt und hilft: Brangäne (Christa Mayer) mit Isolde (Catherine Foster), Photo: Staatstheater Cottbus, © Bernd Schönberger

Der Weg dorthin ist jedoch lang, nicht nur im dritten Aufzug, wenn Tristan lange vergeblich auf die Ankunft von Isolde wartet. Einzig sie beide sind jung geblieben, die anderen um Jahre gealtert. Doch die Inszenierung lebt nicht von spektakulären Effekten, sondern stattet mit Video (Bahadır Hamdemir) die Szenerie aus, läßt Sterne funkeln und vorbeirauschen, schafft mit Überblendungen aber auch geschickt Übergänge in intime Räume oder Gärten. So bleibt man die ganze Zeit konzentriert auf die wenigen Personen, die da handeln – und sie handeln ja kaum. Isolde und Brangäne entwirren ein Seil, als wollten sie den Keltischen Liebesknoten lösen – ist es ihnen gelungen?

Es heißt immer, »Tristan und Isolde« lebe nicht von seiner Handlung, sondern der Beschreibung innerer Zustände. Stephan Märki hat dies eingefangen, nicht mit zusätzlichen Illustrationen oder Deutungsebenen versehen, sondern läßt die Personen agieren, schafft Raum für kleine Gesten. Und siehe da – König Marke (Albert Dohmen) zeigte freundschaftliche, fast väterlich-zärtliche Gefühle für Tristan, bis zum Schluß. Dohmen, im Februar erst als ambivalenten Kasper im Dresdner »Freischütz« erlebt (https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/02/20/fur-welche-schuld-soll-ich-bezahlen/), gehört zu jenen Stimmen, die diese Aufführung gerade mit Nuancen veredeln.

Nebenbuhler und Parteigänger – der Konflikt spitzt sich zu: Brangäne (Christa Mayer), Melot (Nils Stäfe), Kurwenal (Andreas Jäpel) und Tristan (liegend, Bryan Register), Photo: Staatstheater Cottbus, © Bernd Schönberger

Wobei es gar nicht immer so edel klingen muß. Bryan Register ließ sich von der Abendspielleitung wegen einer Pollenflugallergie als leicht indisponiert entschuldigen, sang aber doch – mit Bravour und scheinbar ohne Kraftanstrengung. Im langen Tristanmonolog des dritten Aufzuges schien seine Stimme vorübergehend leicht brüchig, wiewohl intonatorisch sauber – war das der Pollenflug oder bewußt dem Fieberwahn Tristans angemessen?

Für einzigartige Höhepunkte sorgten Catherine Foster und Christa Mayer schon zu Beginn mit langen Dialogen von Isolde und Brangäne. Verblüffend war, wie mädchenhaft Foster klang, was die unerfahrene, liebesverwirrte Jugend Isoldes unterstrich, während Brangäne leicht herb, aber eben nur leicht, warnt – umsonst! Da drängte sich der Verdacht auf, ob es des Zaubers eines Trankes überhaupt bedurft hätte oder die Kraft der Liebe nicht auch so gereicht haben würde. Aber liefert das Ende nicht die Antwort …? Brangäne schien es im Grunde zu verstehen, mitfühlen zu können, wie das Duett zeigte, wenn sich beide stimmlich quasi deckten.

Auf dem Weg, aber finden sie ihre Liebe? Tristan (Bryan Register) und Isolde (Catherine Foster) , Photo: Staatstheater Cottbus, © Bernd Schönberger

Mit dem anfangs etwas übermächtig klingenden Kurwenal (Andreas Jäpel) und einem hitzigen Melot (Nils Stäfe) vervollständigte sich ein Ensemble, dem man neben der hervorragenden Darstellung beste Verständlichkeit anrechnen darf. Endlose Musik ohne ArienGMD Alexander Merzyn läßt sie mit dem Opernchor des Theaters Cottbus und dem Philharmonischen Orchester wachsen und farbig wandeln wie das Bühnenbild ringsum, sorgt mit flammenden Pulsen aber immer genau dann für Spannung, wenn es die innere Regung erfordert. Nicht zuletzt liegt die Verständlichkeit (ebenso des Chores) auch darin, daß Merzyn mit dem Orchester nicht »zudeckt«.

7. April 2025, Wolfram Quellmalz

Am 1. und 4. Mai gibt es noch zweimal Gelegenheit, »Tristan und Isolde« in Cottbus zu sehen. Und zum Nacherleben eine DVD-Aufnahme.

DVD-Tip: Richard Wagner »Tristan und Isolde«, Produktion des Staatstheaters Cottbus, Regie: Stephan Märkl, mit Bryan Register, Catherine Foster, Annika Schlicht, Andreas Jäpel, Dmitry Ivashchenko, Philharmonisches Orchester des Staatstheaters Cottbus, Alexander Merzyn, 2 DVDs, erschienen bei Monarda

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