Schloßkonzert in Reinhardtsgrimma öffnete Horizonte
Daß der Name Carl Friedrich von Rumohr mit dem Schloß Reinhardtsgrimma verbunden ist, wissen Besucher der Schloßkonzerte wohl seit langem. Rumohr, einer der ersten Gastrosophen der Geschichte, war ein Gelehrter, der nicht nur Bücher über die Kochkunst verfaßt hat, sondern ebenso über antike Altertümer, Italienische Forschungen und vieles mehr. Außerdem schrieb Rumohr Novellen und folgte mit der »Schule der Höflichkeit für Alt und Jung« den Betrachtungen »Über den Umgang mit Menschen« Adolph Freiherr von Knigges. Auf Schloß Reinhardtsgrimma ist er geboren, wuchs in Holstein auf.
Auf dem Barockschloß, dem Nachfolgebau einer Wasserburg, gaben sich hoher Adel und gehobene Bürgersleute die Hand. Unter den früheren Eigentümern finden sich Namen wie Lippold, von Bülow, von Pilsach sowie van Berkhout und andere. Das Anwesen ist immer mit Mehrwert verkauft und in seiner Substanz und dem Garten aufgewertet worden. Die umfangreiche, weitverzweigte Geschichte seiner Entwicklung, die noch Goethe tangiert, und seiner Besitzer konnten Besucher des Parkfestes am Sonnabend kurzweilig und kenntnisreich erfahren. Marcus Köhler (Professor für Geschichte der Landschaftsarchitektur, Technische Universität Dresden) führte durch den Park und dessen Geschichte, drinnen im Schloß empfing das jährlich zum Parkfest geöffnete »Schloßcafé Carl Friedrich von Rumohr« Gäste, Roland Nagel präsentierte seine Photoausstellung »Mensch – Natur – Umwelt «, die aktuell die Schloßinnenräume schmückt, dazu schönstes Maiwetter – was wollte man mehr?

Vielleicht ein Konzert? Natürlich ein besonderes an diesem besonderen Tage. Christiane Gagelmann (Barockvioline), Martin Steuber (Laute) und Holger Gehring (Orgel) hatten dafür sechs der Sonaten Heinrich Ignatz Franz von Bibers ausgewählt. Nicht irgendwelche aus den insgesamt fünfzehn Rosenkranzsonaten, sondern – im Marienmonat Mai – jene, die sich auf Maria beziehen. Zum Besonderen zählt, daß sich im frühen Barock noch keine gleichtönige Stimmung durchgesetzt hatte. Harmonien und Tonarten klangen anders als es bald schon bei Johann Sebastian Bach zum Beispiel der Fall sein sollte, denn Biber hatte sich auf alte Kirchentonarten außerhalb des Dur-Moll-Schemas bezogen (wie Dorisch) und die Skordatur der Violine, also die Stimmung der Saiten, jedes Mal verändert. Nicht nur ein wenig, sondern vollkommen, so daß die Grundtöne der leeren Saiten jedes Mal andere waren. Um das zeitaufwendige Umstimmen zu reduzieren, hatte Christiane Gagelmann drei (!) Geigen dabei.
Was sie dabei mit ihren beiden Spielpartnern erreichte, war von höchstem Erlebniswert. So »erzählte« das Trio von der »Verkündigung«, der »Haimsuchung«, der »Rainigung Mariae«, der »Sendung des Heiligen Geistes«, der »Himmelfahrt Mariae« und der »Crönung«. Das Praeludium der Sonate I (d-Dorisch) war das einzige in der Auswahl und eine knappe Eröffnung – die Sonaten waren in Bibers Zeit noch kurz, aber mehrteilig, oft mit ineinander übergehenden Sätzen. Mit den anschließenden Variationen begann ein Parcours, den Christiane Gagelmann bis zum Schluß beibehielt: im Wechsel mit gesanglichen, sogar ariosen Abschnitten durfte sie sich in kompliziertesten Spielfiguren als Virtuosin zeigen, die nicht nur mit rechts den Bogen gleiten oder springen ließ, sondern auch links am Griffbrett ein Fingerballett aufführte.
Der Erlebniswert lag aber vor allem in der Musik, nicht der virtuosen Vorführung, und so ließen sich zu den Episoden passende Stimmungen ebenso finden wie sich Gefühle Mariens widerspiegelten. Der Tanz auf der Violine wurde dabei um Effekte wie ein Echo (in der Sonate II »Haimsuchung«) – von der Spielerin allein erzeugt – ergänzt.
Nach der lehrreichen Führung durch den Park durfte man nun vieles über Werke und Instrumente erfahren, zum Beispiel, wie Biber frei schwingende und gegriffene Saiten genutzt hat und weshalb im ersteren Fall die Violine viel lauter klingen kann.
Für dieses Mal spielten Holger Gehring und Martin Steuber tatsächlich »nur« die Begleiterrolle, hatten aber ebenso manchen Wortbeitrag parat. Anspruchslos war die Begleitung, in der manchmal die Orgel oder sogar einmal die Laute allein erklang, aber nicht. Oft folgte sie der Grundform einer Ciacona, »Mariae Rainigung« ging ganz darin auf. Die Form hatte einen meditativen Charakter und kam dem Gebetsrhythmus mit einem Rosenkranz gleich. Die feinfühlige Ausmalung statt der Virtuosität stand beim Basso continuo im Vordergrund.
Vieles gab es zu entdecken. Noch im letzten Werk, das mit einem als »Sonate« bezeichneten Satz begann, ein Quasi-Praeludium bzw. einer Sinfonia, die für einmal die Violine (kurz) schweigen ließ.
11. Mai 2025, Wolfram Quellmalz
Nächstes Schloßkonzert in Reinhardtsgrimma: 21. Juni »NaturTonSprache«, Trios von Brahms, Haydn und Koechlin, mit Kathrin Bäz (Flöte), Daniel Bäz (Fagott) und Melanie Bähr (Klavier)